Hintergrundinformation zur Beobachtung (Monitoring) des gentechnisch veränderten Mais MON810

Datum: 25.04.2008

Informationen zur Bedeutung der Umweltbeobachtung und zum Verfahrensablauf

Jeglicher Umgang mit gentechnisch veränderten Organismen in Deutschland und der EU unterliegt gesetzlichen Regelungen. Das Freisetzen (zeitlich und räumlich begrenzte Freilandversuche) von gentechnisch veränderten Pflanzen (GVP) und das Inverkehrbringen (jegliche Abgabe an Dritte) von GVP bedürfen gemäß EU-Richtlinie einer Genehmigung. Eine erste EU-Richtlinie (90/220/EWG) ist im Jahr 1990 in Kraft getreten. In diesem Jahr erfolgte in Deutschland auch die erste Freisetzung von GVP, der lachsfarbenen Petunie im Max-Planck-Institut in Köln.

Das Inverkehrbringen (einschließlich Anbau) einer GVP in der EU erfolgte im Jahr 1997, der Mais Bt176 mit einem Selbstschutz gegen den Schädling Maiszünsler. Das komplexe und lang andauernde Genehmigungsverfahren fand seinerzeit in der dritten und letzten Entscheidungsstufe seinen endgültigen Abschluss. Da zwischen den Mitgliedstaaten der EU kein Einvernehmen und auch im Regelungsausschuss keine qualifizierte Mehrheit für den Entscheidungsvorschlag der Kommission bestand, musste letztlich die EU-Kommission gemäß den Kriterien der Richtlinie eine Entscheidung zur Genehmigung des Inverkehrbringens treffen.

Auch die nächste Entscheidung in der EU (1998) zur Genehmigung des Inverkehrbringens einer GVP betraf Mais mit einem Selbstschutz gegen den Maiszünsler: MON810. Der Verfahrensverlauf war ähnlich lang wie bei Bt176. Wegen der noch fehlenden langfristigen Erfahrung mit großflächigem Anbau von GVP hat die zuständige Behörde Deutschlands (damals das Robert-Koch-Institut, RKI, heute das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit, BVL) in seiner Stellungnahme vom 9. August 1996 im Verfahren zu MON810 u. a. angeregt, die Genehmigung zunächst nur für einen begrenzten Zeitraum von fünf Jahren zu erteilen und die während dieses Zeitraumes gesammelten Erfahrungen in geeigneter Weise zu dokumentieren.

Bereits 1996 wurde von der zuständigen Behörde Deutschlands in den Stellungnahmen an die EU-Kommission sowohl zu MON810 als auch in einem anderen Genehmigungsverfahren erstmals in der EU angeregt, mit der Genehmigung durch die EU-Kommission ein geeignetes Beobachtungsprogramm zu empfehlen und mit Bezug auf das Beobachtungsprogramm zunächst eine zeitlich befristete Zustimmung zum Inverkehrbringen der GVP zu erteilen.

Diese Vorschläge wurden verworfen, weil die EU-Kommission die Auffassung vertrat, dass die damalige Richtlinie 90/220/EWG als Rechtsgrundlage solche einschränkenden Entscheidungen nicht erlaube. Drei Jahre später beschloss der Rat der Umweltminister in seiner Sitzung am 24. und 25. Juni 1999 in Luxemburg den Gemeinsamen Standpunkt mit dem Europäischen Parlament über den Inhalt einer neuen Richtlinie (die derzeit geltende Richtlinie 2001/18/EG), die die damals geltende Richtlinie 90/220/EWG ablösen sollte. Mit dieser neuen Richtlinie wurde beschlossen, dass mit dem Antrag auf Genehmigung des Inverkehrbringens von GVP auch ein Beobachtungsplan vorgelegt werden müsse. Eine große Mehrheit der Mitgliedstaaten wollte, dass die Beobachtung ausschließlich in der Verantwortung des Antragstellers erfolgen sollte. Deutschland vertrat jedoch die Auffassung, dass die Beobachtung von GVP nicht nur dem Antragsteller selbst überlassen werden sollte. Vielmehr sollten auch unabhängige Institutionen und dort bestehender Sachverstand eingebunden werden. Dieser Vorschlag wurde aufgegriffen. Die Richtlinie sieht nunmehr vor (Annex VII, C. 3.2), dass für einen Teil der Beobachtung (‚Allgemeine’ Beobachtung) von bereits bestehenden Beobachtungsprogrammen Gebrauch gemacht werden kann. Im Beobachtungsplan sollte erläutert werden, wie die relevanten Informationen dem Genehmigungsinhaber zugänglich werden (Häufig wird auch der aus dem englischsprachigen Raum stammende Begriff "Monitoring" verwendet. Im Gentechnikgesetz wird einheitlich der Begriff "Beobachtung" benutzt).

Die neue Richtlinie 2001/18/EG war bis zum 17. Oktober 2002 von den EU-Mitgliedstaaten in nationales Recht umzusetzen und anzuwenden. Neu zu genehmigende Anträge müssen ab diesem Zeitpunkt demnach auch einen Beobachtungsplan enthalten.

Monitoring von MON810

Die Genehmigung zum Inverkehrbringen von MON810 wurde bereits 1998 gemäß der damals geltenden EU-Richtlinie 90/220/EWG erteilt. Diese EU-weite Genehmigung galt zunächst zeitlich unbegrenzt. Die zum 17. Oktober 2002 anzuwendende Richtlinie 2001/18/EG ersetzt die Richtlinie 90/220/EWG. Es wurden zwei wesentliche Neuerungen eingeführt; Zum einen die zeitliche Begrenzung von Genehmigungen auf zehn Jahre und zum anderen die Pflicht, bei der Genehmigungsbeantragung einen Beobachtungsplan vorzulegen.

Für bestehende Genehmigungen wurde eine Übergangsregelung bis zum 17. Oktober 2006 eingeführt. Im Zusammenspiel der Richtlinie 2001/18/EG mit neueren EU-Regelungen zu gentechnisch veränderten Lebens- und Futtermitteln (VO 1829/2003) wird die Verpflichtung zum Monitoring für bestehende Genehmigungen hinausgeschoben. Monsanto hat gemäß diesen Regelungen im Mai 2007 eine Verlängerung der Genehmigung beantragt und dabei – in Übereinstimmung mit den Erfordernissen der Richtlinie 2001/18/EG – einen Beobachtungsplan vorgelegt. Die noch bestehende EU-weite Genehmigung ohne Beobachtungsplan gilt weiter bis die EU-Kommission über den Verlängerungsantrag entschieden hat.

Das BVL hat Monsanto mit Bescheid vom 27. April 2007 verpflichtet, in Deutschland schon ab 2008, also auch für den Übergangszeitraum bis zu einer Entscheidung über die beantragte Neuzulassung von MON810, eine der aktuellen EU-Rechtslage entsprechende Beobachtung durchzuführen.

Damit wird konsequent die bereits 1996 von der zuständigen Behörde Deutschlands eingeschlagene Richtung verfolgt, beim Anbau von GVP eine anbaubegleitende Beobachtung in die Praxis umzusetzen. Die mit den Anträgen auf Genehmigung des Inverkehrbringens von GVP einzureichenden Beobachtungs-Pläne gelten EU-weit. Die unterschiedlichen Strukturen in den EU-Mitgliedstaaten bezüglich bereits bestehender Beobachtungsprogramme, die in Beobachtungsaktivitäten einbezogen werden können, macht es derzeit sehr schwierig, die nationalen Besonderheiten in einem vom Antragsteller vorzulegenden Beobachtungsplan selbst zu berücksichtigen. Deshalb hat das BVL von Monsanto gefordert, Ergebnisse aus bestehenden nationalen Beobachtungsprogrammen bei der Implementierung des EU-weit geltenden Beobachtungsplans in Deutschland zu berücksichtigen.

Das Unternehmen kam dieser Aufforderung im Dezember 2007 nach. Die Firma Monsanto als Inhaber der Inverkehrbringensgenehmigung hat dem BVL erstmals einen vollständigen Plan zur Beobachtung der Umweltauswirkungen des GVP-Anbaus vorgelegt und sich verpflichtete, bei der Umsetzung des Beobachtungsplans in Deutschland auch Daten, die durch bestehende Beobachtungsprogramme erhoben und veröffentlicht werden, bei der Auswertung der Beobachtung zu berücksichtigen. Damit ist sichergestellt, dass auch Informationen aus existierenden Beobachtungsprogrammen für wichtige Schutzziele pro-aktiv von der Firma Monsanto in die Beobachtung von MON810 einbezogen werden. Daraufhin durfte die Firma Monsanto ihr Saatgut der gentechnisch veränderten Maissorte MON810 in Deutschland wieder zu kommerziellen Zwecken abgeben. So wird in Deutschland ein hohes Maß an Vorsorge für die Übergangszeit bis zu einer Entscheidung über eine Verlängerung der Genehmigung von MON810 auf EU-Ebene erreicht.

Allgemeine Beobachtung

Der Beobachtungsplan von Monsanto stützt sich im Bereich der allgemeinen Beobachtung auf vier Elemente, die in ihrem Zusammenspiel zu betrachten sind:

  • Fragebögen für Landwirte,
  • Informationen aus der wissenschaftlichen Literatur,
  • Berichte zu den Maßnahmen gemäß Produktinformation (stewardship program) und
  • die Nutzung von Informationen aus bestehenden Umweltbeobachtungs-Programmen.

Die Ergebnisse der verschiedenen Programme werden regelmäßig veröffentlicht und können somit ohne besondere Vereinbarung ausgewertet werden.

Die Fragebögen für Landwirte verfolgen das Ziel, die Landwirte, die MON810 anbauen wollen, aufmerksam zu machen, dazu anzuhalten, auf ungewöhnliche Beobachtungen im Zusammenhang mit dem Anbau von MON810 zu achten und diese Bobachtungen auch mitzuteilen. Das kann beispielsweise das Auftreten von Formen des Maiszünslers betreffen, die unempfindlich geworden sind gegen das Wirkprinzip von MON810.

Die bestehenden Beobachtungsprogramme wie das Bienen-Monitoring, Brutvogel-Monitoring und Tagfalter-Monitoring erfolgen unabhängig vom MON810-Genehmigungsinhaber Monsanto. Ermittelt werden in den genannten Programmen z. B.:

  • Entwicklung und Gesundheit von Bienenvölkern in Verbindung mit ortspezifischen Daten zum Klima, zur Futterverfügbarkeit und zu konventionellen Pflanzenschutzmaßnahmen,
  • Populationsveränderungen bei Brutvögeln,
  • Veränderungen im Vorkommen (Arten und Anzahl) von Tagfaltern als Indikatoren für Veränderungen in der Umwelt (Landschaft).

Die Ergebnisse der unabhängig durchgeführten Beobachtungen sind vom Genehmigungsinhaber in den Berichten zum MON810-Beobachtungsprogramm mit zu berücksichtigen.

Die allgemeine Beobachtung von MON810 hat zum Ziel, unerwartete und langfristige schädliche Effekte von GVP auf die Umwelt und Gesundheit zu erfassen. Der dabei verfolgte Ansatz orientiert sich an Schutzzielen wie der Biodiversität oder der Erhalt der Bodenfruchtbarkeit, die beobachtet werden. Falls unerwartete schädliche Effekte auftreten sollten, muss in weiteren Schritten von der Genehmigungsinhaberin geprüft werden, ob sie mit dem Anbau von gentechnisch verändertem Mais MON810 in Zusammenhang stehen. Die zuständigen Behörden können dann geeignete Maßnahmen zum Schutz von Umwelt und Gesundheit ergreifen. Das von der Firma Monsanto durchzuführende Beobachtungsprogramm dient diesen Schutzzielen.

Die Richtlinie 2001/18/EG legt (Artikel 31 (3b)) auch fest, dass Mitgliedstaaten ein öffentliches Register über den Anbau in Verkehr gebrachter GVP führen sollen. Im deutschen Standortregister werden Standorte, auf denen in Verkehr gebrachte GVP angebaut oder GVP freigesetzt (zeitlich und räumlich begrenzte Freilandversuche) werden, genau erfasst. Ein Ziel des Standortregisters ist, eine verbesserte Umweltbeobachtung möglicher unerwünschter Auswirkungen auf die Umwelt und die menschliche und tierische Gesundheit zu erlauben. Mit Hilfe des Standortregisters können auch Jahre später ehemalige GVP-Anbauflächen für eventuell notwendig gewordene Untersuchungen identifiziert werden. In Verbindung mit dem beim BVL geführten und öffentlich zugänglichen Standortregister zum Anbau von GVP ist die Möglichkeit geschaffen, die Erkenntnisse aus unabhängigen Beobachtungen mit den Standorten des Anbaus von MON810 auf eine mögliche Korrelation zu prüfen.

Fallspezifische Beobachtung

Die wesentlichen Merkmale einer fallspezifischen Beobachtung im Vergleich zu einer allgemeinen Beobachtung sind in der nachstehenden Tabelle gegenübergestellt:

Fallspezifische BeobachtungAllgemeine Beobachtung
ZieleBestätigung der Ergebnisse und Annahmen aus der RisikoprüfungUnerwartete schädliche Auswirkungen durch den Anbau von GVP erkennen
AnsatzÜberprüfung eiiner vorher formulierten Annahme während eines definierten ZeitraumsBewertung des Zustands der Umwelt unabhängig von Vorannahmen und Zeit
Was kann es?Bestätigung/Widerlegung von Annahmen, Aussagen zu Ursachen von festgestellten UmweltveränderungenBestimmung des Zustands der Umwelt. Grundlagen liefern für Prognosen der voraussichtlichen Entwicklung der Umwelt (Frühwarnsystem)
Was kann es nicht?Aussagen zu langfristigen EntwicklungenUrsachen von Umweltveränderungen bestimmen

Aus der Erfahrung der Anwendung konventioneller Pflanzenschutzmittel ist zu erwarten, dass früher oder später eine Toleranzentwicklung des Schadorganismus Maiszünsler gegenüber dem Wirkprinzip von MON810 einsetzen wird. Dem wird in dem vom Genehmigungsinhaber vorgelegten stewardship program Rechnung getragen. Darüber hinaus ergaben sich bei der Sicherheitsbewertung von MON810 gemäß Gentechnikgesetz keine Anlässe für eine fallspezifische Beobachtung durch den Genehmigungsinhaber. Entsprechend ist die Zentrale Kommission für Biologische Sicherheit in ihrer Stellungnahme vom Juli 2007 zu dem Ergebnis gekommen, dass der Anbau von MON810 keine Gefahr für die Umwelt darstellt.

Im Zuge einer weiter ausgelegten unabhängigen Beobachtung wird dennoch von der Bundesregierung geplant, begleitend zum Anbau von MON810 spezifische Beobachtungsprogramme mit wissenschaftlich forschender Ausrichtung durchzuführen wie

  • zum Verbleib und Abbau von Bt-Protein in Böden und aquatischen Systemen,
  • zu Auswirkungen von Bt-Protein auf Nichtzielorganismen und
  • zu Auswirkungen von Bt-Mais auf die Gesundheit von Honigbienen.

Ausblick

Der nach EU-Recht bestehende Spielraum wurde genutzt, um Monsanto früher als nach EU-Recht erforderlich zur Vorlage und Durchführung eines Beobachtungsplans zu MON810 zu verpflichten und bei der vorzeitigen Implementierung des mit dem Verlängerungsantrag bei der EU-Kommission eingereichten Beobachtungsplans darüber hinaus Beobachtungsberichte in Deutschland bestehender Beobachtungsprogramme mit zu berücksichtigen und auszuwerten. Auf der Grundlage des geltenden EU-Rechtes ist der Antragsteller für die Umsetzung des Beobachtungsplans verantwortlich. Die Bewertung der Beobachtungsergebnisse erfolgt im Zusammenwirken der zuständigen Behörden auf EU-Ebene.

Bestehende Beobachtungsnetzwerke stellen eine wertvolle Informationsquelle dar, um mögliche großflächige Veränderungen der Biodiversität anzuzeigen. Dazu sollen Informationen, insbesondere Berichte, aus den Beobachtungsprogrammen ausgewertet werden und wo notwendig und möglich auf Rohdaten zugegriffen werden.

Ausgabejahr 2008
Datum 25.04.2008

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