Abgabemengen von Antibiotika in Tiermedizin gehen weiter zurück

Weiterer Rückgang auch bei Fluorchinolonen, Cephalosporinen der 3. und 4. Generation sowie bei Polypeptidantibiotika

Datum: 03.08.2023

Die Menge der in der Tiermedizin abgegebenen Antibiotika in Deutschland ist im Jahr 2022 erneut deutlich zurückgegangen. Nach Angaben des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) wurden insgesamt 540 Tonnen Antibiotika an Tierärztinnen und Tierärzte abgegeben. Dies sind 61 Tonnen weniger als im Vorjahr (minus 10,1 %). Da hatte der Rückgang gegenüber 2020 14,3 % betragen. Im Vergleich zu 2011, dem ersten Jahr der Erfassung der Antibiotika-Abgabemengen, bedeutet dies eine Reduzierung der insgesamt abgegebenen Antibiotikamenge um 68 %.

Im Jahr 2022 wurden insgesamt 540 Tonnen (t) Antibiotika von pharmazeutischen Herstellern und Inhabern einer Großhandelsvertriebserlaubnis an Tierärztinnen und Tierärzte in Deutschland abgegeben. Die größten Mengen entfallen wie in den Vorjahren auf Penicilline (228 t) und Tetrazykline (90 t), es folgen Sulfonamide (54 t), Makrolide (46 t) und Polypeptidantibiotika mit 44 t.

Die Grafik zeigt den Vergleich der regionalen Antibiotika-Abgabemengen 2011 und 2022.  Abdruck nur unter Quellenangabe "© Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL)". Grafik: Vergleich der regionalen Antibiotika-Abgabemengen 2011 und 2022

Hinweis: In der ersten Version der Abbildung 1 "Vergleich der regionalen Antibiotika-Abgabemengen 2011 und 2022" war in der Legende fälschlicherweise der Bereich "200-500t" angegeben. Korrekt umfasst dieser Bereich allerdings "100-500t". Die Abbildung wurde daher am 06.10.2023 angepasst.

Für die Mengen abgegebener Cephalosporine der 3. und 4. Generation (1,1 t; -10,8 %), Fluorchinolone (5 t; -10,1 %) und Polypeptidantibiotika (Colistin; 44 t; -13,3 %), welche von der WHO als Wirkstoffe mit besonderer Bedeutung für die Therapie beim Menschen (Highest Priority Critically Important Antimicrobials for Human Medicine) eingestuft werden, sind im Vergleich zum Vorjahr erneut Rückgänge zu verzeichnen. Die Menge der abgegebenen Makrolide blieb auf stabilem Niveau (46 t).

Cephalosporine der 3. und 4. Generation, Fluorchinolone und Colistin sind auch nach der Kategorisierung der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA; AMEG-Kategorisierung) nur beschränkt in der Tiermedizin einzusetzen. Alle erfassten Abgabemengen dieser Wirkstoffklassen sind auf dem niedrigsten Wert seit 2011. Entsprechend der Farm-to-Fork-Strategie der Europäischen Kommission soll der Antibiotikaeinsatz in der landwirtschaftlichen Tierhaltung zwischen 2018 und 2030 europaweit um 50 % gesenkt werden. In Deutschland konnten die Verkäufe von Antibiotika in der Tiermedizin in den Jahren 2018 bis 2022 bereits um 25 % reduziert werden.

Tab. 1: Vergleich der Antibiotika-Abgabemengen bezogen auf die Wirkstoffklassen 2011 bis 2022
 WirkstoffklasseAbgabe-
menge
[t] 2011
Abgabe-
menge
[t] 2012
Abgabe-
menge
[t] 2013
Abgabe-
menge
[t] 2014
Abgabe-
menge
[t] 2015
Abgabe-
menge
[t] 2016
Abgabe-
menge
[t] 2017
Abgabe-
menge
[t] 2018
Abgabe-
menge
[t] 2019
Abgabe-
menge
[t] 2020
Abgabe-
menge
[t] 2021
Abgabe-
menge
[t] 2022
Differenz
[t] 2011-
2022
Aminoglykoside474039382526293034363032-15
Cephalosp., 1. Gen.2,02,12,12,11,92,02,02,12,12,02,21,9-0,1
Cephalosp., 3. Gen.2,12,32,32,32,32,32,31,31,01,00,90,9-1,2
Cephalosp., 4. Gen.1,41,41,41,41,31,11,10,50,30,30,30,2-1,2
Fenicole6,15,75,25,35,05,15,66,06,36,35,85,3-0,8
Fluorchinolone8,210,412,112,310,69,39,97,76,06,45,65,0-3,2
Folsäureantagonisten30262419109,87,88,08,18,99,17,6-22,4
Fusidinsäure*             
Ionophore*             
Lincosamide17151715119,9119,913131312-5,0
Makrolide1731451261095255555957614646-127
Nitrofurane*             
Nitroimidazole*             
Penicilline528501473450299279269271264278235228-300
Pleuromutiline14181513119,9138,27,710,58,07,9-6,1
Polypeptidantibiotika1271231251078269747466605144-83
Sulfonamide1851621521217369626359656454-131
Tetrazykline56456645434222119318817814014812590-474
Summe1.7061.6191.4521.238805742733722670701601540-1166

Scheinbare Ungenauigkeiten oder Abweichungen bei den Mengenangaben sind durch Rundungseffekte bedingt.
*Wahrung des Geschäfts- und Betriebsgeheimnisses, Daten dürfen nicht veröffentlicht werden, da es i. d. R. nur einen Zulassungsinhaber gibt (nach § 6 IFG und § 9 Abs. 1 (3) UIG)

Die gemeldeten Wirkstoffmengen lassen sich nicht einzelnen Tierarten zuordnen, da die Mehrzahl der Tierarzneimittel, welche diese Wirkstoffe enthalten, für die Behandlung verschiedener Heim- oder Nutztierarten zugelassen ist. Das seit Januar 2022 anzuwendende Tierarzneimittelrecht sieht jedoch vor, dass künftig auch die Anwendungen antimikrobieller Arzneimittel bei Tieren erfasst werden. Gemäß § 56 Tierarzneimittelgesetz (TAMG) in Verbindung mit Artikel 57 der EU-Tierarzneimittelverordnung (EU) 2019/6 werden die Daten für die ersten Tierarten (Rind, Schwein, Huhn, Pute) bereits seit Januar 2023 erfasst, weitere Tierarten werden stufenweise ab 2025 folgen.

Hintergrundinformation

Die Entwicklung und Verbreitung von Antibiotikaresistenzen stellt eine globale Bedrohung dar, in der Human- und in der Veterinärmedizin. Der Transfer von antibiotikaresistenten Bakterien und/oder der Transfer von Resistenzgenen sind wechselseitig zwischen Mensch und Tier möglich.

Seit dem Jahr 2011 sind pharmazeutische Hersteller und Inhaber einer Großhandelsvertriebserlaubnis gesetzlich dazu verpflichtet, die Mengen an Antibiotika, die jährlich an Tierärztinnen und Tierärzte in Deutschland abgegeben werden, zu melden. Diese Daten werden im Tierarzneimittel-Abgabemengen-Register (TAR) erfasst.

Ausgabejahr 2023
Datum 03.08.2023

Pressekontakt

Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL)
Presse und Öffentlichkeitsarbeit • Gerichtstraße 49 • 13347 Berlin
Telefon: 030 18444 -88250 • Fax: 030 18444 -89999
E-Mail Adresse: * presse@bvl.bund.de

Pressemitteilungen filtern nach Jahren