Deutlich geringere Abgabemengen von Antibiotika in der Tiermedizin

Mengen für Fluorchinolone, Cephalosporine der 3. und 4. Generation, Makrolide und Polypeptidantibiotika auf niedrigstem Wert seit 2011

Aktualisierte Fassung vom 09.08.2022

Datum: 08.08.2022

Die Menge der in der Tiermedizin abgegebenen Antibiotika ist in Deutschland im Jahr 2021 merklich zurückgegangen. Wie das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) mitteilt, wurden insgesamt 601 Tonnen Antibiotika an Tierärztinnen und Tierärzte abgegeben – 100 Tonnen weniger als im Vorjahr (minus 14,3 %). Das ist die deutlichste erfasste Abnahme der Abgabemengen seit 2016. Im Vergleich zu 2011, dem ersten Jahr der Erfassung, bedeutet dies ein Rückgang der insgesamt abgegebenen Antibiotikamenge um 65 %.

tuInsgesamt wurden im vergangenen Jahr 601 Tonnen (t) Antibiotika von pharmazeutischen Unternehmen und Großhändlern an Tierärztinnen und Tierärzte in Deutschland abgegeben. Die größten Anteile nehmen wie in den Vorjahren die Penicilline (235 t) und Tetrazykline (125 t) ein, gefolgt von Sulfonamiden (64 t), Polypeptidantibiotika (51 t) und Makroliden mit 46 t.

Die Grafik zeigt den Vergleich der regionalen Antibiotika-Abgabemengen 2011 und 2021.  Abdruck nur unter Quellenangabe "© Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL)". Grafik: Vergleich der regionalen Antibiotika-Abgabemengen 2011 und 2021

Hinweis: In der ersten Version der Abbildung 1 "Vergleich der regionalen Antibiotika-Abgabemengen 2011 und 2021" war in der Legende fälschlicherweise der Bereich "200-500t" angegeben. Korrekt umfasst dieser Bereich allerdings "100-500t". Die Abbildung wurde daher am 06.10.2023 angepasst.

Für die Mengen abgegebener Cephalosporine der 3. und 4. Generation (1,2 t; -7,7 %), Fluorchinolone (5,6 t; -13 %), Polypeptidantibiotika (Colistin; 51 t; -15 %) und Makrolide (46 t; -24 %), welche von der WHO als Wirkstoffe mit besonderer Bedeutung für die Therapie beim Menschen (Highest Priority Critically Important Antimicrobials for Human Medicine) eingestuft werden, sind im Vergleich zum Vorjahr deutliche Rückgänge zu verzeichnen. Cephalosporine der 3. und 4. Generation, Fluorchinolone und Colistin sind auch nach der Kategorisierung der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA; AMEG-Kategorisierung) nur beschränkt in der Tiermedizin einzusetzen. Alle erfassten Abgabemengen der genannten Wirkstoffklassen sind auf dem niedrigsten Wert seit 2011.

Tab. 1: Vergleich der Antibiotika-Abgabemengen bezogen auf die Wirkstoffklassen 2011 bis 2021
WirkstoffklasseAbgabe-menge [t] 2011Abgabe-menge [t] 2012Abgabe-menge [t] 2013Abgabe-menge [t] 2014Abgabe-menge [t] 2015Abgabe-menge [t] 2016Abgabe-menge [t] 2017Abgabe-menge [t] 2018Abgabe-menge [t] 2019Abgabe-menge [t] 2020Abgabe-menge [t] 2021Differenz [t] 2011-2021
Aminoglykoside4740393825262930343630- 17
Cephalosp., 1. Gen.2,02,12,12,11,92,02,02,12,12,02,2+ 0,2
Cephalosp., 3. Gen.2,12,32,32,32,32,32,31,31,01,00,9- 1,2
Cephalosp., 4. Gen.1,41,41,41,41,31,11,10,50,30,30,3- 1,1
Fenicole6,15,75,25,35,05,15,66,06,36,35,8- 0,3
Fluorchinolone8,210,412,112,310,69,39,97,76,06,45,6- 2,6
Folsäureantagonisten30262419109,87,88,08,18,99,1- 20,9
Fusidinsäure*           
Ionophore*           
Lincosamide17151715119,9119,9131313- 4
Makrolide17314512610952555559576146- 127
Nitrofurane*           
Nitroimidazole*           
Penicilline528501473450299279269271264278235- 293
Pleuromutiline14181513119,9138,27,7118,0- 6
Polypeptidantibiotika12712312510782697474666051- 76
Sulfonamide18516215212173696263596564- 121
Tetrazykline564566454342221193188178140148125- 439
Summe1.7061.6191.4521.238805742733722670701601- 1.105

Scheinbare Ungenauigkeiten oder Abweichungen bei den Mengenangaben sind durch Rundungseffekte bedingt.
*Wahrung des Geschäfts- und Betriebsgeheimnisses, Daten dürfen nicht veröffentlicht werden, da es i. d. R. nur einen Zulassungsinhaber gibt (nach § 6 IFG und § 9 Abs. 1 (3) UIG)

Die gemeldeten Wirkstoffmengen lassen sich einzelnen Tierarten nicht zuordnen, da die Mehrzahl der Tierarzneimittel, welche diese Wirkstoffe enthalten, für die Anwendung bei verschiedenen Tierarten zugelassen ist. Das neue, seit Januar 2022 anzuwendende Tierarzneimittelrecht sieht jedoch vor, dass künftig auch die Anwendungen antimikrobieller Arzneimittel bei Tieren erfasst werden. Gemäß Artikel 57 der EU-Tierarzneimittelverordnung (EU) 2019/6 müssen die Daten für die ersten Tierarten (Rind, Schwein, Huhn, Pute) ab 2023 erfasst werden, weitere Tierarten werden ab 2027 folgen.

Hintergrund

Tierarzneimittel wie Antibiotika werden eingesetzt, um kranke Tiere zu behandeln. Dies ist erforderlich, um die Tiergesundheit und den Tierschutz sicherzustellen und den Menschen vor Zoonosen (auf Menschen übertragbare Tierkrankheiten) zu schützen.

Die Entwicklung und Verbreitung von Antibiotikaresistenzen stellt eine globale Bedrohung dar, in der Human- und in der Veterinärmedizin. Der Transfer von antibiotikaresistenten Bakterien und/oder der Transfer von Resistenzgenen sind wechselseitig zwischen Mensch und Tier möglich.

Seit dem Jahr 2011 sind pharmazeutische Unternehmen und Großhändler gesetzlich dazu verpflichtet, die Mengen an Antibiotika, die jährlich an Tierärztinnen und Tierärzte in Deutschland abgeben werden, zu melden. Diese Daten werden im Tierarzneimittel-Abgabemengen-Register (TAR) erfasst. Aufgrund von gesetzlichen Neuerungen und deren Umsetzung ist das TAR seit dem 1. Januar 2022 vom Geschäftsbereich des Bundesinstitutes für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) in den Geschäftsbereich des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) übergegangen und damit einhergehend alle Aufgaben der Datenerfassung und Auswertung. Für die zu erfassenden Abgabemengen im Jahr 2022, welche 2023 ausgewertet werden, gelten die neuen rechtlichen Rahmenbedingungen, insbesondere § 45 Abs. 6 Tierarzneimittelgesetz in Verbindung mit Artikel 57 der EU-Tierarzneimittelverordnung (EU) 2019/6.

Hinweis: Aktualisierung vom 09.08.2022
In einer ursprünglichen Fassung dieser Pressemitteilung wurde fälschlicherweise der 1. Januar 2021 als Datum für den Übergang des TAR vom BfArM zum BVL genannt. Richtig ist der 1. Januar 2022.

Ausgabejahr 2022
Datum 08.08.2022

Pressekontakt

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