Isofluran-Narkose bei Ferkelkastration

Datum: 25.07.2016

Am 1. Januar 2019 tritt in Deutschland das Verbot, Ferkel ohne Betäubung zu kastrieren, in Kraft. Die verfügbaren Alternativen werden zum Teil kontrovers diskutiert. Dabei werden teilweise sachlich nicht korrekte Feststellungen zur Wirkung von Isofluran getroffen.
Als Alternative zur Injektionsnarkose mit Ketamin/Azaperon, die mit einem längeren Nachschlaf einhergeht, wird das kurzwirksame Inhalationsnarkotikum Isofluran propagiert. Obschon es bisher in Deutschland nicht für die Anwendung bei Schweinen bzw. Ferkeln zugelassen ist, besteht die Möglichkeit, Isofluran zur Anwendung bei der Ferkelkastration umzuwidmen, sofern nach Einschätzung des verantwortlichen Tierarztes die hierbei geltenden arzneimittelrechtlichen Voraussetzungen gegeben sind.
Nachfolgend sind die wesentlichen Eigenschaften des Isoflurans und seine Wirkungen bei Tieren, insbesondere bei Schweinen, kurz zusammengefasst.

Isofluran ist ein halogenierter Ether mit beißendem Geruch, der unter Normalbedingungen flüssig, nicht brennbar und chemisch stabil ist. Isofluran muss mithilfe spezieller Verdampfer in den gasförmigen Zustand überführt werden. Mittlerweile werden verschiedene automatische Narkosegeräte, mit denen gleichzeitig zwei oder drei Ferkel narkotisiert werden können, kommerziell angeboten.
Isoflurannarkosen sind aufgrund der physiko-chemischen Eigenschaften von Isofluran gut steuerbar. Die geringe Löslichkeit des Isoflurans im Blut (λ=1,4) bedingt einen schnellen Partialdruckausgleich zwischen Inhalationsgemisch und Alveolarraum, Blut und Gehirn. Die Einleitungs- und Aufwachphase sind daher kurz. Isofluran hat eine hohe Wirkungspotenz, die als minimale alveoläre Konzentration (MAC) bzw. EC50 angegeben wird. Die MAC ist die Konzentration, bei der 50% der Patienten nicht mehr mit Abwehrreaktionen auf einen definierten Schmerzreiz reagieren. Sie ist Substanz-spezifisch, wird aber auch von der Tierart und vom klinischen Status des Patienten beeinflusst. Durch geeignete Prämedikation kann die anästhetische Potenz gesteigert werden.
Die wirksame Schmerzausschaltung während der Kastration erfolgt bei Isofluran durch die induzierte Bewusstlosigkeit. Zur Linderung von nach Abklingen der Bewusstlosigkeit auftretenden Schmerzen sollten zusätzlich Analgetika in der Prämedikation verwendet werden. Wegen der kurzen Aufwachphase muss die Behandlung solcher post-operativer Schmerzen frühzeitig eingeleitet werden.
Isofluran wird deshalogeniert, darüber hinaus aber kaum metabolisiert und praktisch vollständig über die Lunge abgeatmet. Fluor und Fluorid werden renal eliminiert. Die wichtigsten Nebenwirkungen sind dosisabhängige Atemdepression und Hypotension. Außerdem soll es in seltenen Fällen bei anfälligen Tieren zur Auslösung einer malignen Hyperthermie wie bei Halothan kommen können.

Praktische Erfahrungen mit der Isoflurannarkose bei Saugferkeln liegen überwiegend aus klinischen und Feldstudien vor. Isofluran wird hierzulande nur vereinzelt bei der Ferkelkastration verwendet, wobei die arzneimittelrechtlichen Bestimmungen zur Umwidmung zu berücksichtigen sind. In der Schweiz, wo die Betäubung von Ferkeln bei der Kastration seit 2009 vorgeschrieben ist, wird Isofluran regulär eingesetzt, und es sind mehrere Präparate für die Indikation Ferkelkastration zugelassen.

Laut wissenschaftlicher Literatur betragen die Anflutungszeiten beim Ferkel 70 bis 90 Sekunden. Damit lässt sich offenbar nicht bei allen Tieren eine ausreichende Narkosetiefe herbeiführen. Gleichwohl hat Isofluran die grundsätzliche Eigenschaft, eine wirksame Schmerzausschaltung nach dem Stand der veterinärmedizinischen Wissenschaft während der Narkose zu bewirken. Mit zunehmender Dauer der Anflutung steigt zwar der Anteil der Tiere, die die erforderliche Narkosetiefe erreichen, es steigt aber auch das allgemeine Narkoserisiko.
Die Dauer der Aufwachphase ist generell kurz, und die Fähigkeit zu stehen und sich fortzubewegen wird innerhalb von wenigen Minuten nach dem Eingriff wiedererlangt. Nachteilige Auswirkungen auf die Heilung der Kastrationswunde und die spätere Entwicklung der mit Isofluran narkotisierten Ferkel wurden bei einem Vergleich mit konventionell kastrierten Ferkeln nicht festgestellt.

Der praktische Einsatz von Isofluran beim Ferkel kann nicht losgelöst von der Art der verwendeten Narkosegeräte beurteilt werden. Bei Anwendung von kommerziellen, automatisierten Narkosegeräten, mit denen zwei, drei oder mehr Ferkel gleichzeitig betäubt und kastriert werden können, sollte darauf geachtet werden, dass es nicht aufgrund mangelnder Passgenauigkeit der Atemmasken zu unerwünschter Einatmung von Raumluft, Änderung des Isoflurangehalts im Inhalationsgemisch und unkontrollierter Freisetzung von Narkosegas in die Umgebung kommt. Solche Vorfälle gehören vermutlich zu den Gründen, warum die Ferkelkastration unter Isoflurannarkose bei Verwendung automatisierter Narkosegeräte in der wissenschaftlichen Literatur häufig noch als suboptimal bewertet wird.

Ausgabejahr 2016
Datum 25.07.2016

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