EU-Programm zur Bewertung alter Pflanzenschutzmittel-Wirkstoffe abgeschlossen

Datum: 26.03.2009

In der EU ist das Programm zur Bewertung alter Pflanzenschutzmittelwirkstoffe fast abgeschlossen. Über die letzten Wirkstoffe wurde am 12. März 2009 in der Sitzung des zuständigen Ausschusses bei der Europäischen Kommission entschieden. Lediglich bei acht Wirkstoffen stehen die Beschlüsse noch aus. Es wird allerdings noch einige Monate dauern, bis alle Entscheidungen im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht sind und wirksam werden.

Die gemeinsame Wirkstoffbewertung

Die Wirkstoffe von Pflanzenschutzmitteln werden in der EU in einem Gemeinschaftsverfahren bewertet. Am Ende dieses Verfahrens steht die Entscheidung, ob ein Wirkstoff in die gemeinsame Liste der "für die Verwendung in Pflanzenschutzmitteln zulässigen Wirkstoffe" aufgenommen wird. Nach der Pflanzenschutzmittelrichtlinie der EU gelten Wirkstoffe, die ab Juli 1993 auf den Markt gekommen sind, als "neue Wirkstoffe". Hier wird das gemeinschaftliche Bewertungsverfahren in Gang gesetzt, sobald in einem Mitgliedstaat die Zulassung eines Pflanzenschutzmittels mit einem neuen Wirkstoff beantragt wird. Wirkstoffe, die vor 1993 bereits in der EU auf dem Markt waren, sind "alte Wirkstoffe". Für diese Substanzen ist 1993 ein Programm angelaufen, das die Bewertung zeitlich gestaffelt in vier Stufen vorsah. Der ursprüngliche Zeitplan, der sich über 10 Jahre erstreckte, ließ sich nicht einhalten und musste deshalb um 6 Jahre verlängert werden.

Bilanz des Altstoffprogramms

Von den ca. 920 alten Wirkstoffen wurden 214 in die Positivliste aufgenommen. Bei diesen Zahlen sind Pheromone, Fettsäuren und Kupfer jeweils nur einmal als Gruppe gezählt, zu der dann jeweils mehrere Verbindungen gehören. Bei 68 Wirkstoffen fiel die Aufnahmeentscheidung im so genannten "grünen Pfad" in einem vereinfachten Verfahren. Diese Wirkstoffe – z. B. viele Pflanzenöle und Fettsäuren – lassen mit ausreichender Sicherheit erwarten, dass sie keine schädlichen Auswirkungen haben. Eine detaillierte Bewertung mit einer Begutachtung durch die EFSA wird aber nachgeholt.

699 Wirkstoffe wurden nicht aufgenommen. Darunter sind 64 Wirkstoffe, für die die Bewertung in einem beschleunigten Verfahren wieder aufgenommen werden kann. In diesen Fällen war den Antragstellern eingeräumt worden, ihre Anträge zunächst freiwillig zurückzuziehen. Im Gegenzug wird für die Vermarktung eine verlängerte Übergangszeit bis Ende 2010 gewährt. Währenddessen können die Firmen einen erneuten Antrag auf Aufnahme des Wirkstoffs in Anhang I stellen und dabei Lücken in den Unterlagen füllen und auf offene Fragen eingehen, die zuletzt einer positiven Entscheidung entgegenstanden. Der Ausgang der erneuten Bewertung ist selbstverständlich offen. Natürlich steht es jedem Antragsteller frei, jederzeit auch für andere nicht aufgenommene Wirkstoffe neue Anträge zu stellen.

Gründe für negative Entscheidungen

Nur in relativ wenigen Fällen fiel die Nichtaufnahmentscheidung nach einem kompletten Bewertungsverfahren. Häufiger haben die Antragsteller ihre Anträge im Laufe des Verfahrens zurückgezogen oder erst gar keine Anträge gestellt. Die Gründe dafür sind vielfältig:

  • Viele der alten Wirkstoffe erfüllen nicht mehr die aktuellen Anforderungen an den Umwelt- und Verbraucherschutz.
  • Viele alte Wirkstoffe sind moderneren unterlegen und damit nicht konkurrenzfähig.
  • Eine Reihe von Wirkstoffen ist nur in Nischenprodukten mit kleinem Marktanteil einsetzbar. Hier hat die Industrie häufig aus wirtschaftlichen Gründen auf Anträge verzichtet, obwohl diese Substanzen die Aufnahmekriterien vermutlich erfüllen würden und für die Landwirtschaft nützlich wären.

Ausstehende Entscheidungen

Bei sieben Wirkstoffen fanden die Vorschläge der Europäischen Kommission nicht die notwendige Mehrheit im zuständigen Ausschuss, so dass nun der Rat damit zu befassen ist; bei einem Wirkstoff wurde die Entscheidung vertagt. Unter diesen Wirkstoffen sind vier, zu denen es aktuell zugelassene Pflanzenschutzmittel in Deutschland gibt: Bifenthrin, Mineralöl, Tetraconazol und Triazoxid.

Konsequenzen für die Zulassung in Deutschland

Wenn ein Wirkstoff nicht in die Positivliste aufgenommen wird, dürfen die Mitgliedstaaten keine neuen Zulassungen für Pflanzenschutzmittel mit diesem Wirkstoff erteilen und müssen bestehende Zulassungen in einer bestimmten Frist widerrufen. In der Vergangenheit war Deutschland von Nichtaufnahmeentscheidungen vergleichsweise wenig betroffen, da der hohe EU-Standard mit der Novellierung des Pflanzenschutzgesetzes schon seit 1998 für alle nationalen Zulassungen galt. Die jüngsten Entscheidungen betreffen nun zwar eine Reihe von Wirkstoffen, die auch in Deutschland auf dem Markt sind, überwiegend handelt es sich aber um Wirkstoffe mit der Möglichkeit der beschleunigten Wiederaufnahme des Bewertungsverfahrens. In diesen Fällen können existierende Zulassungen bis zum 31.12.2010 in Kraft bleiben; außerdem besteht die Aussicht, dass diese Wirkstoffe im zweiten Anlauf in die Positivliste aufgenommen werden, so dass dann auch wieder Zulassungen für neue Produkte erteilt werden können. Unten finden Sie den Link zu einer Tabelle mit einer Übersicht über die jüngsten Nichtaufnahmeentscheidungen und die Konsequenzen für Zulassungen in Deutschland.

Verfügbarkeit von Wirkstoffen in Europa

Mit dem Abschluss des Altstoffprogramms ergibt sich folgendes Bild für die Anzahl verfügbarer Wirkstoffe in Europa:

  • 214 alte Wirkstoffe sind in die Positivliste aufgenommen; bei 3 dieser Wirkstoffe ist die Aufnahmeperiode allerdings inzwischen ausgelaufen.
  • 64 alte Wirkstoffe sind zwar nicht aufgenommen, haben aber verlängerte Übergangsfristen bis Ende 2010 und können in einem beschleunigten Verfahrens erneut überprüft werden.
  • 82 neue Wirkstoffe sind in die Positivliste aufgenommen.
  • 56 neue Wirkstoffe haben im Bewertungsverfahren die Vollständigkeitsprüfung absolviert, so dass die Mitgliedstaaten für Mittel mit diesen Wirkstoffen vorläufige Zulassungen erteilen können.

Damit sind derzeit also gut 400 Wirkstoffe in Europa einsetzbar. Die Landwirtschaft ist allerdings darauf angewiesen, dass die Industrie auch Handelsprodukte mit diesen Wirkstoffen in den Mitgliedstaaten zur Zulassung bringt.

Ausblick

Auch wenn nun alle alten Wirkstoffe das Bewertungsprogramm durchlaufen haben, so bedeutet dies nicht, dass die Verfahren damit für immer abgeschlossen sind. Zum einen wird es, wie bereits beschrieben, für 64 freiwillig zurückgezogene Wirkstoffe ein zweites Verfahren geben. Zum anderen steht für die über den "grünen Pfad" aufgenommenen Wirkstoffe noch die Begutachtung durch die EFSA aus. Zudem ist die Aufnahme eines Wirkstoffs in die Positivliste zeitlich befristet, in der Regel auf 10 Jahre. Deshalb sind für die aufgenommenen Wirkstoffe regelmäßig Neubewertungen durchzuführen. Für diese Neubewertungen wird die neue EG-Pflanzenschutzmittelverordnung strengere Kriterien einführen. So wird es künftig eine Reihe von Ausschlusskriterien auf der Basis von Stoffeigenschaften geben. Nicht mehr zulässig sollen Wirkstoffe mit einer Einstufung als krebserzeugend, erbgutverändernd oder fortpflanzungsgefährdend der Kategorie 1 oder 2 sein, sowie Wirkstoffe, die das endokrine System schädigen und Wirkstoffe mit bestimmten Persistenz- und Akkumulationseigenschaften. Wieviele und welche Wirkstoffe unter die neuen Ausschlusskriterien fallen, lässt sich noch nicht genau sagen. Nach vorsichtiger Schätzung dürfte die Zahl aber gering sein. Auf der anderen Seite entwickelt die Industrie jedes Jahr einige neue Wirkstoffe bis zur Marktreife, so dass letztlich die Gesamtzahl verfügbarer Wirkstoffe in absehbarer Zeit auf dem jetzigen Niveau bleiben könnte.

Ausgabejahr 2009
Datum 26.03.2009

Pressekontakt

Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL)
Presse und Öffentlichkeitsarbeit • Gerichtstraße 49 • 13347 Berlin
Telefon: 030 18444 -88250 • Fax: 030 18444 -89999
E-Mail Adresse: * presse@bvl.bund.de