Was sind Pflanzenschutzmittel?
Zu den Pflanzenschutzmitteln zählen Mittel zur Unkrautbekämpfung (Herbizide), Mittel gegen Pilzkrankheiten (Fungizide) und Mittel gegen Schadinsekten (Insektizide). Darüber hinaus gibt es Pflanzenschutzmittel gegen Milben, Fadenwürmer, Schnecken und Nagetiere. Auch Keimhemmungsmittel und andere Wachstumsregler gelten rechtlich als Pflanzenschutzmittel.
Das Pflanzenschutzrecht macht keine grundsätzliche Unterscheidung zwischen synthetischen Pflanzenschutzmitteln, Naturstoffen und Mikroorganismen, denn auch Naturstoffe und Mikroorganismen können Risiken bergen. Die Besonderheiten dieser Gruppen werden aber im Zulassungsverfahren berücksichtigt. Schädlingsbekämpfungsmittel, die außerhalb der Landwirtschaft eingesetzt werden, z.B. Mittel gegen Hygieneschädlinge oder Holzschutzmittel gelten nicht als Pflanzenschutzmittel, sondern fallen in der EU als sogenannte Biozidprodukte in einen eigenen Rechtsbereich.
Wie sieht das EU-Recht für Pflanzenschutzmittel aus?
Mit einer EU-Richtlinie begann 1991 die Harmonisierung der Zulassung von Pflanzenschutzmitteln in der EU. 2009 wurde diese Richtlinie durch die Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln ersetzt, die nun die Grundlage des EU-Rechts bildet. Hinzu kommen Durchführungsverordnungen und technische Leitfäden, die Details der Verfahren regeln. Die wichtigsten Prinzipien dieses Regelwerks:
- Die Wirkstoffe von Pflanzenschutzmitteln werden in einem EU-Gemeinschaftsverfahren bewertet; am Ende steht die Entscheidung, ob ein Wirkstoff für die Verwendung in Pflanzenschutzmitteln genehmigt wird oder nicht.
- Jedes Pflanzenschutzmittel, also Handelsprodukt, benötigt eine Zulassung in jedem Mitgliedstaat, in dem es auf den Markt kommen soll. Diese Zulassungen werden von den Mitgliedstaaten erteilt.
- Zwei Kataloge der EU legen die Datenanforderungen fest, also die Unterlagen, die ein Antragsteller für eine Wirkstoffgenehmigung und für eine Produktzulassung einreichen muss.
- Rückstandshöchstgehalte für Pflanzenschutzmittelwirkstoffe in Lebensmitteln und Futtermitteln werden auf EU-Ebene in einem Gemeinschaftsverfahren festgesetzt.
- Die Mitgliedstaaten sind verpflichtet, Verkauf und Anwendung von Pflanzenschutzmitteln zu überwachen, sowie Lebens- und Futtermittel auf Rückstände zu kontrollieren. Die EU legt dafür Standards fest und überprüft deren Einhaltung ("Kontrolle der Kontrolle").
Welche Behörden sind in Deutschland an der Zulassung beteiligt?
Die Zulassungsbehörde für Pflanzenschutzmittel ist das BVL. Es arbeitet dabei mit drei weiteren Bundesbehörden zusammen: Das Julius Kühn-Institut prüft Wirksamkeit, Pflanzenverträglichkeit und Nutzen, sowie die Auswirkungen auf die Honigbiene. Das Bundesinstitut für Risikobewertung bewertet die Auswirkungen auf die Gesundheit von Mensch und Tier; dazu gehört auch die Bewertung des Rückstandsverhaltens. Das Umweltbundesamt beurteilt mögliche Auswirkungen auf den Naturhaushalt. Das BVL selber bewertet die Rezeptur, die physikalischen, chemischen und technischen Eigenschaften, sowie die Analysemethoden. Darüber hinaus ist das BVL zuständig für das Risikomanagement. Das bedeutet: Es trifft die Zulassungsentscheidung und verbindet diese z.B. mit Anwendungsbestimmungen und Auflagen, um Risiken zu vermindern.
In der beschriebenen Aufgabenverteilung bearbeiten das BVL und die drei Bewertungsbehörden nicht nur die Zulassungsanträge für Pflanzenschutzmittel, sondern beteiligen sich auch am EU-Gemeinschaftsverfahren zur Bewertung der Wirkstoffe.
Welche Unterlagen müssen Antragsteller für die Wirkstoffgenehmigung und die Zulassung einreichen?
Dies ist in zwei EU-Verordnungen festgelegt: Die Verordnung (EU) Nr. 283/2013 nennt die erforderlichen Unterlagen und Angaben zum Wirkstoff und die Verordnung (EU) Nr. 284/2013 die Unterlagen und Angaben zum Pflanzenschutzmittel. Diese Kataloge beschreiben bei den jeweils über 100 Positionen genau, was verlangt wird. Zwei zusätzliche Dokumente der EU-Kommission schreiben die Prüfmethoden vor, nach denen die Tests durchzuführen sind, und die technischen Leitfäden, die anzuwenden sind.
Können sich die Zulassungsbehörden auf die Studien der Antragsteller verlassen?
Nach dem EU-Recht müssen Antragsteller mit einem Antrag auf Wirkstoffgenehmigung bzw. Pflanzenschutzmittel-Zulassung alle notwendigen Unterlagen einreichen. Sie müssen also die entsprechenden Tests vorab durchführen oder durchführen lassen. Eine Reihe von Maßnahmen soll sicherstellen, dass die Ergebnisse dieser Tests vertrauenswürdig sind und genau die Daten liefern, die für eine Bewertung benötigt werden:
- Studien zu möglichen Wirkungen auf Mensch und Umwelt werden nur von Versuchseinrichtungen akzeptiert, die das internationale Qualitätssicherungssystem GLP (Gute Laborpraxis) etabliert haben und über eine entsprechende staatliche Anerkennung verfügen. Das gilt auch für die firmeneigenen Labors. Manipulationen können für den Studienleiter strafrechtliche Folgen haben.
- Art und Anzahl der Versuche sind vorgeschrieben; ebenso sind für jeden Versuchstyp die Methodik und die Berichterstattung in allen Einzelheiten festgelegt. Alle Versuchsschritte müssen dokumentiert und archiviert werden.
- Die Versuchsberichte enthalten nicht nur zusammengefasste Endergebnisse, sondern alle Einzeldaten, sodass sich Berechnungen und statistische Auswertungen überprüfen lassen.
- Die Studien werden bei den Behörden von erfahrenen Fachleuten ausgewertet. Ergeben sich aus der Gesamtschau der vorgelegten Studien Widersprüche, kann vom Antragsteller die Wiederholung von Studien oder die Durchführung zusätzlicher Studien verlangt werden.
- Wenn neben den Unterlagen der Antragsteller weitere Studien und Informationen verfügbar sind, ziehen die Bewertungsbehörden auch diese heran. Das ist häufig bei der Neubewertung eingeführter Wirkstoffe oder Pflanzenschutzmittel der Fall.
Wie läuft die EU-Wirkstoffprüfung ab?
Die Wirkstoffprüfung ist ein Gemeinschaftsverfahren, bei dem die Behörden der Mitgliedstaaten, die EU-Kommission und die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) zusammenarbeiten.
- Einer der Mitgliedstaaten fungiert als Berichterstatter (Rapporteur Member State); er nimmt die Antragsunterlagen entgegen, prüft sie stellvertretend für alle Mitgliedstaaten und erstellt einen Entwurf des Bewertungsberichts, den er der EU-Kommission und der EFSA übermittelt.
- Die EFSA gibt dann den anderen Mitgliedstaaten die Möglichkeit, den Entwurf des Bewertungsberichts zu kommentieren. Auch der Antragsteller kann sich dazu äußern.
- Parallel dazu macht die EFSA den Entwurf der Öffentlichkeit zugänglich und führt eine öffentliche Konsultation durch, an der sich jedermann beteiligen kann.
- Die EFSA kann anschließend eine Konsultation mit Experten der Mitgliedstaaten organisieren; in den meisten Fällen tut sie dies auch.
- Wenn nötig fordert die EFSA vom Antragsteller zusätzliche Informationen an.
- Am Ende verfasst die EFSA eine Schlussfolgerung ("EFSA Conclusion"), die sie der EU-Kommission vorlegt und im Internet veröffentlicht. Aus dieser Schlussfolgerung geht hervor, ob alle Daten vorliegen, die zur Bewertung des Wirkstoffs erforderlich sind, und ob aus wissenschaftlicher Sicht Bedenken gegen eine Genehmigung bestehen.
Auf Grundlage der EFSA-Schlussfolgerung legt die EU-Kommission dem Ständigen Ausschuss für Pflanzen, Tiere, Lebensmittel und Futtermittel einen Entscheidungsvorschlag zur Genehmigung oder Nichtgenehmigung des Wirkstoffs vor. In diesem Ausschuss sind alle Mitgliedstaaten vertreten. Entscheidungsvorschläge der EU-Kommission benötigen die qualifizierte Mehrheit des Ausschusses; (es müssen mindestens 55 % der Mitgliedstaaten zustimmen, die mindestens 65 % der Bevölkerung repräsentieren). Die EU-Kommission kann die Entscheidung zur Genehmigung eines Wirkstoffs mit Einschränkungen und anderen Sonderbestimmungen verbinden.
Welche Kriterien im Gesundheitsbereich muss ein Wirkstoff für die Genehmigung erfüllen?
Nach der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 sind Wirkstoffe generell nicht genehmigungsfähig, die nach dem Chemikalienrecht der EU als krebserzeugend, erbgutverändernd oder fortpflanzungsgefährdend der Kategorie 1A oder 1B eingestuft sind. Nicht genehmigungsfähig sind auch Wirkstoffe, die das hormonelle System schädigen können, die sehr langlebig sind oder die sich in Organismen anreichern können. Ansonsten wird ein Wirkstoff genehmigt, wenn für mindestens ein Pflanzenschutzmittel mit diesem Wirkstoff nachgewiesen ist, dass es die Zulassungskriterien erfüllt.
Das EU-Recht kennt zwei besondere Kategorien von Wirkstoffen:
- Substanzen mit besonders vorteilhaften Eigenschaften in Hinsicht auf Gesundheit und Umwelt werden als "Wirkstoffe mit geringem Risiko" deklariert. Diese Einstufung hat eine längere Genehmigungsdauer zur Folge sowie unter Umständen Erleichterungen bei der Zulassung von Pflanzenschutzmitteln mit diesen Wirkstoffen.
- Substanzen mit ungünstigen Eigenschaften werden als zu ersetzende Wirkstoffe (Substitutionskandidaten) eingestuft. Pflanzenschutzmittel mit diesen Wirkstoffen unterliegen der vergleichenden Bewertung mit zugelassenen Pflanzenschutzmitteln, die den gleichen Zweck erfüllen.
Wie läuft das Zulassungsverfahren für Pflanzenschutzmittel ab?
Nach der Genehmigung eines Wirkstoffs auf EU-Ebene benötigt jedes Pflanzenschutzmittel (Handelsprodukt) noch eine Zulassung, die von den Mitgliedstaaten erteilt wird. Dafür gibt es im Wesentlichen zwei Gründe: Zum einen enthalten Pflanzenschutzmittel neben einem oder mehreren Wirkstoffen weitere Inhaltsstoffe, z.B. Lösungsmittel, Emulgatoren und Trägerstoffe. In der Zulassungsprüfung sollen auch diese Beistoffe berücksichtigt werden. Zum anderen gehen in die Risikobewertung eines Pflanzenschutzmittels nicht nur die Stoffeigenschaften ein, sondern auch die vorgesehene Anwendung. So hängen Gesundheitsrisiken für Anwender davon ab, wie das Mittel zubereitet ist (z.B. als Flüssigkonzentrat oder Streugranulat) und mit welcher Anwendungstechnik es ausgebracht werden soll. Die mögliche Versickerung in das Grundwasser kann z.B. davon abhängen, zu welcher Jahreszeit das Mittel angewendet werden soll.
Die Zulassungen für die Pflanzenschutzmittel werden zwar national erteilt, dennoch arbeiten die Behörden der Mitgliedstaaten auch in diesem Verfahren arbeitsteilig zusammen. Im sogenannten zonalen Verfahren ist die EU in drei Zonen eingeteilt: Norden, Mitte, Süden. Deutschland gehört zur mittleren Zone. Antragsteller können Zulassungen parallel für mehrere Mitgliedstaaten einer Zone beantragen. In diesem Fall übernimmt dann einer der Mitgliedstaaten die Funktion als bewertender Mitgliedstaat. Er prüft die Unterlagen, führt die Bewertung durch, gibt den anderen Mitgliedstaaten die Möglichkeit, das Ergebnis der Bewertung zu kommentieren und erteilt dann – sofern alle Voraussetzungen erfüllt sind – die Zulassung. Auf der Basis dieser Bewertung entscheiden anschließend die anderen beteiligten Mitgliedstaaten in einem zügigen Verfahren über die Zulassung. Ein Antragsteller, der später die Zulassung auf weitere Mitgliedstaaten der Zone ausdehnen möchte, kann dies nach dem Verfahren der gegenseitigen Anerkennung tun; auch hier entscheidet der betreffende Mitgliedstaat auf der Basis der vorhandenen Bewertung über die Zulassung.
Welche Kriterien muss ein Pflanzenschutzmittel für die Zulassung erfüllen?
Nach der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 muss nachgewiesen sein, dass unter anderem die folgenden Anforderungen erfüllt sind:
- Die enthaltenen Wirkstoffe müssen für die Verwendung in Pflanzenschutzmitteln genehmigt sein.
- Wirkstoffe und relevante Verunreinigungen müssen analytisch bestimmt werden können, um Marktkontrollen durchführen zu können.
- Wenn Pflanzen behandelt werden sollen, die als Futter oder Lebensmittel verwendet werden, müssen für die entsprechenden Pflanzen bzw. Pflanzenerzeugnisse Rückstandshöchstgehalte festgesetzt sein.
- Das Mittel muss hinreichend wirksam sein und darf keine unannehmbaren Auswirkungen auf Pflanzen und Pflanzenerzeugnisse haben.
- Das Mittel darf als Folge der Anwendung keine schädlichen Auswirkungen auf die Gesundheit haben, keine schädlichen Auswirkungen auf das Grundwasser und keine unannehmbaren Auswirkungen auf die Umwelt.
Die Durchführungsverordnung (EU) Nr. 546/2011 enthält die "einheitlichen Grundsätze für die Bewertung und Zulassung von Pflanzenschutzmitteln". Darin ist beschrieben, wie die Bewertungen im Einzelnen durchgeführt werden, beispielsweise welche Berechnungen angestellt und welche Sicherheitsfaktoren verwendet werden. In die Risikobewertungen in Hinsicht auf Gesundheit und Umwelt gehen nicht nur die Eigenschaften des Pflanzenschutzmittels ein, sondern auch die Anwendung des Mittels: Anwendungsbereich (Freiland, Gewächshaus oder Räume), Kulturen, Anwendungstechnik, Aufwandmenge und andere Einzelheiten. Es wird also nicht pauschal festgestellt, ob das Pflanzenschutzmittel unbedenklich ist, sondern ob die vorgesehene Anwendung des Pflanzenschutzmittels unbedenklich ist. Die Durchführungsverordnung definiert auch in den einzelnen Prüfbereichen die genauen Kriterien, also z.B. Kennzahlen, die nicht überschritten werden dürfen. Wird am Ende festgestellt, dass das Pflanzenschutzmittel all diese Kriterien erfüllt, dann hat der Antragsteller ein Recht auf die Zulassung.
Kennen die Behörden die Zusammensetzung der Pflanzenschutzmittel?
Antragsteller müssen mit dem Zulassungsantrag für ein Pflanzenschutzmittel alle Einzelheiten der Rezeptur mitteilen. Diese Rezeptur ist Gegenstand der Prüfung und darf nach der Zulassung nicht ohne weiteres geändert werden.
Im EU-Verfahren zur Wirkstoffprüfung wird für jeden Wirkstoff eine Spezifikation festgelegt. Diese kann z.B. einen Höchstgehalt für bestimmte Verunreinigungen beinhalten, die bei der Herstellung entstehen. Die Pflanzenschutzmittel dürfen nur Wirkstoffe enthalten, die dieser Spezifikation entsprechen. Wirkstoffe aus einer anderen Quelle oder mit einem anderen Herstellungsverfahren dürfen nur verwendet werden, wenn dafür zuvor die Äquivalenz nachgewiesen und von den Behörden bestätigt wurde.
Sind die Wirkstoffe von Pflanzenschutzmitteln analysierbar?
In Pflanzenschutzmitteln enthaltene Wirkstoffe und relevante Verunreinigungen müssen analytisch bestimmt werden können. Dabei geht es zum einen um die Kontrolle der Produktqualität bei der Herstellung und im Handel, und zum anderen um die Kontrolle verschiedener Medien auf Rückstände: Erntegüter, Lebensmittel, Boden, Wasser, Luft, Körperflüssigkeiten und Körpergewebe. Die Methoden müssen vorgegebene Standards in Hinsicht auf Spezifität, Linearität, Präzision (Wiederholbarkeit), Genauigkeit und der Bestimmungsgrenze erfüllen. Das BVL stellt diese Methoden den Einrichtungen zur Verfügung, die im Bereich der Rückstandskontrollen und Überwachung tätig sind.
Wie wird das Gesundheitsrisiko bewertet?
Dies erfolgt durch eine zweistufige Prüfung mit Tests in zwei Bereichen. Zunächst werden Pflanzenschutzmittel-Wirkstoffe in einem Gemeinschaftsverfahren auf europäischer Ebene bewertet. Dafür müssen Antragsteller ein umfangreiches Datenpaket zur Bewertung der Toxizität des Wirkstoffs und des Rückstandsverhaltens einreichen. Aus den toxikologischen Untersuchungen werden toxikologische Referenzwerte abgeleitet, die die Menge des Wirkstoffs angeben, denen Menschen ohne nennenswertes Gesundheitsrisiko kurz-, mittel- und langfristig ausgesetzt werden können. Die Kenntnis über die Höhe der Rückstände im Erntegut nach bestimmungsgemäßer Anwendung ermöglicht die Ableitung von Rückstandshöchstgehaltsvorschlägen. Aus dem Wissen über die Gefährlichkeit (Toxikologie) und die Exposition (Verzehr und Höhe der Rückstände) lassen sich unbedenkliche Rückstandshöchstgehalte ableiten.
In der EU verwendete Pflanzenschutzmittel dürfen nur genehmigte Wirkstoffe enthalten. Zusätzlich benötigen Pflanzenschutzmittel eine Zulassung in den Mitgliedstaaten. Dafür müssen Antragsteller weitere Informationen einreichen, mit denen u. a. die akute Toxizität, die reizende und sensibilisierende Wirkung sowie Kombinationswirkungen und auftretende Rückstände in oder auf behandelten Erzeugnissen, Lebensmitteln und Futtermitteln bewertet werden können. Darüber hinaus ist das Ausmaß der Exposition von verschiedenen Personengruppen wie Anwender, Arbeiter, Umstehende, Anwohner und Verbraucher unter den vorgesehenen Anwendungsbedingungen zu betrachten.
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Wie werden Pflanzenschutzmittel in Hinsicht auf die Umwelt bewertet?
Um die Wirkungen eines Pflanzenschutzmittels auf den Naturhaushalt zu untersuchen, werden Tests zu zwei Bereichen verlangt. Der erste Bereich umfasst Studien zum Verhalten und Verbleib in der Umwelt, die Aufschluss über Abbauwege, Abbaumechanismen und Abbaugeschwindigkeiten in Boden, Wasser und Luft bei unterschiedlichen Bedingungen geben. Ausgehend davon wird der mögliche Transport in angrenzende Flächen und Gewässer, und die mögliche Versickerung in das Grundwasser betrachtet. Den zweiten Bereich bilden Tests zur Wirkung an Tieren und Pflanzen. Dazu werden Versuche unter standardisierten Laborbedingungen an einer Reihe von Stellvertreterarten durchgeführt, die die Flora und Fauna der Agrarlandschaft repräsentieren. Vorgeschrieben sind Versuche mit Vögeln, Honigbienen und anderen Insekten, Regenwürmern und weiteren Bodenlebewesen, Fischen, Wasserflöhen und Wasserpflanzen. Aus diesen Versuchen geht hervor, welche Arten auf einen Wirkstoff besonders empfindlich reagieren, welche Wirkungen die Substanz hervorruft und ab welcher Konzentration oder Dosis Effekte auftreten. Wenn die Laborversuche zur Bewertung nicht ausreichen, werden zusätzliche Versuche unter realitätsnäheren Bedingungen verlangt.
Zulassungsvoraussetzung ist, dass das Mittel keine schädlichen Auswirkungen auf das Grundwasser und keine unannehmbaren Auswirkungen auf die Umwelt hat. Die Bewertung dreht sich deshalb um die Frage, in welchem Maße die Umweltmedien Boden, Wasser und Luft nach der praktischen Anwendung des Mittels belastet sein können, und ob diese Belastung unannehmbare Wirkungen auf die Organismen hat.
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Wie wird die Wirkung auf Bienen geprüft und bewertet?
Alle Pflanzenschutzmittel, mit denen Bienen direkt oder indirekt in Berührung kommen können, müssen in ihrer Wirkung auf Bienen getestet werden. Das Testprogramm beginnt mit Laborprüfungen zur akuten Toxizität bei oraler Aufnahme und Kontakt. Je nach dem Ergebnis der Laborversuche und der vorgesehenen Anwendung des Mittels schließen sich Halbfreiland- und Freilandversuche unter praxisnäheren Bedingungen an, in denen auch das Verhalten der Bienen, die Entwicklung der Bienenbrut und die Gesamtentwicklung der Völker beobachtet wird.
Zulassungsvoraussetzung ist, dass bei der Anwendung des Pflanzenschutzmittels keine unannehmbaren Auswirkungen auf das Überleben und die Entwicklung von Bienenvölkern eintreten. Jedes Pflanzenschutzmittel erhält mit der Zulassung eine Einstufung zur Bienengefährdung. Pflanzenschutzmittel, die als "bienengefährlich" eingestuft sind, dürfen nicht auf blühende oder von Bienen beflogene Pflanzen ausgebracht werden. Darüber hinaus kann das BVL weitere Maßnahmen zum Risikomanagement treffen. Dazu gehören z.B. Mindeststandards für Staubfreiheit und Abriebfestigkeit bei Saatgutbehandlungsmitteln.
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Wie wird die Wirksamkeit des Pflanzenschutzmittels bewertet?
Zu den vorgeschriebenen Untersuchungen, die ein Antragsteller einreichen muss, gehören Versuche zum Wirkungsgrad des Mittels unter verschiedenen Bedingungen, aus denen auch der Grenzaufwand, also die niedrigste notwendige Aufwandmenge hervorgeht. Dazu kommen Daten zur Auswirkung auf den Ertrag und die Qualität der Ernteerzeugnisse, zur Pflanzenverträglichkeit, zu den Auswirkungen auf Nutzorganismen sowie zu möglichen Wirkungen auf benachbarte Kulturen und Folgekulturen. Zulassungsvoraussetzung ist, dass das Pflanzenschutzmittel im Wirkungsgrad das Niveau von Vergleichsmitteln erreicht, bzw. einen eindeutig feststellbaren Nutzen hat. Darüber hinaus darf es keine unannehmbaren Auswirkungen auf die Pflanzen oder Pflanzenerzeugnisse haben.
Um die Wirksamkeit eines Pflanzenschutzmittels langfristig zu gewährleisten, ist es notwendig, die Entwicklung von Resistenzen bei den Schadorganismen so weit wie möglich zu vermeiden. Dazu muss im Zulassungsverfahren die aktuelle Resistenzsituation beurteilt werden, und Anwendern und Beratern soweit erforderlich die Information für ein sinnvolles Resistenzmanagement vermittelt werden, z.B. über eine Vorschrift zur entsprechenden Kennzeichnung des Mittels.
Was tut das BVL zur Verminderung von Risiken?
Wenn das BVL für ein Pflanzenschutzmittel die Zulassung erteilt, dann sind damit immer Auflagen, Anwendungsbestimmungen und sonstige Festlegungen verbunden. Diese Nebenbestimmungen werden für jedes Pflanzenschutzmittel individuell festgesetzt. Sie sollen identifizierte Risiken vermindern und sicherstellen, dass das Mittel nur so angewendet wird, wie es geprüft wurde. Zum Zulassungsinhalt gehören:
- Festgesetzte Anwendungsgebiete (Kulturen und Schadorganismen); nur in diesen Anwendungsgebieten ist die Anwendung zulässig
- Angaben zur sachgerechten Anwendung (Technik, Aufwand, Zeitpunkt, etc.)
- Einstufung zur Bienengefährdung
- Kennzeichnung zur Gefährdung von Nützlingen
- Anwendungsbestimmungen (z.B. Vorschriften zur Verwendung abdriftmindernder Düsen oder zur Einhaltung von Mindestabständen zu Gewässern)
- Vorschriften zur Kennzeichnung (z.B. Sicherheitshinweise, Hinweise zur Schutzausrüstung)
- Wartezeiten zwischen letzter Anwendung und Ernte
- Anwenderkreis (beruflich / nichtberuflich)
Was bedeutet "vergleichende Bewertung"?
Wirkstoffe, die bestimmte Kriterien in Hinsicht auf die Gesundheit oder die Umwelt nicht erfüllen, werden auf EU-Ebene als "zu ersetzende Wirkstoffe" deklariert. Pflanzenschutzmittel, die solche Substitutionskandidaten enthalten, dürfen nur zur Anwendung zugelassen werden, wenn es keine wirtschaftlichen und praktikablen Alternativen gibt, die deutlich sicherer für Mensch oder Umwelt sind, oder wenn sie im Resistenzmanagement unverzichtbar sind. Diese Abwägung wird im Zulassungsverfahren für die Pflanzenschutzmittel vorgenommen und soll die spezifische Situation in den jeweiligen Mitgliedstaaten berücksichtigen. Die vergleichende Bewertung ist bereits in der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 vorgesehen, wurde aber erst 2015 praktisch eingeführt; Stichtag war der 1. August 2015 für den Antragseingang.
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In welchen Abständen werden Wirkstoffe und Pflanzenschutzmittel überprüft?
Die Genehmigung der Wirkstoffe ist befristet. Möchten die Firmen mit den entsprechenden Pflanzenschutzmitteln auf dem Markt bleiben, müssen sie die Erneuerung der Genehmigung beantragen, worauf dann eine Neubewertung nach dem aktuellen Stand von Wissenschaft und Technik durchgeführt wird. Im Regelfall gilt die Erstgenehmigung höchstens 10 Jahre und die folgenden Erneuerungen jeweils 15 Jahre. Bei Wirkstoffen mit geringem Risiko ist bereits die Erstgenehmigung 15 Jahre gültig. Zu ersetzende Wirkstoffe (Substitutionskandidaten) werden für maximal 7 Jahre genehmigt.
Auch die Zulassungen der Pflanzenschutzmittel müssen regelmäßig erneuert werden. Beide Verfahren sollen so synchronisiert werden, dass die Zulassungen der Pflanzenschutzmittel ein Jahr nach dem Genehmigungsende der Wirkstoffe auslaufen. Bei einer Erneuerung der Wirkstoffgenehmigung haben die Behörden der Mitgliedstaaten dann dieses Jahr für die Neubewertung der Pflanzenschutzmittel (sofern entsprechende Anträge gestellt sind). In Deutschland sind auf Grund von Übergangsregelungen noch nicht alle Zulassungen der Pflanzenschutzmittel in dieser Weise synchronisiert. Es ist aber trotzdem sichergestellt, dass nach der Erneuerung einer Wirkstoffgenehmigung innerhalb der vorgeschriebenen Frist alle bestehenden Zulassungen der zugehörigen Pflanzenschutzmittel überprüft werden.
Neben den routinemäßigen Neubewertungen kann die EU-Kommission jederzeit auch eine außerplanmäßige Überprüfung eines Wirkstoffs in die Wege leiten, wenn es dafür einen Anlass gibt. Ebenso kann das BVL die Zulassung eines Pflanzenschutzmittels überprüfen und wenn nötig die Zulassung ändern oder widerrufen.
Wie werden neue Entwicklungen in Wissenschaft und Technik berücksichtigt?
Nicht nur die Wirkstoffe und Pflanzenschutzmittel unterliegen routinemäßigen Neubewertungen, sondern das Verfahren als solches wird im Laufe der Zeit immer wieder an den Stand von Wissenschaft und Technik angepasst. Das betrifft
- die Testrichtlinien, also die Methodenvorschriften für die Durchführung der Tests
- die beiden Kataloge der Datenanforderungen für die Wirkstoffe und die zubereiteten Pflanzenschutzmittel
- die technischen Leitfäden für die Risikobewertung
- die Berechnungsmethoden, z.B. Rechenmodelle, die die Belastung von Verbrauchern und Anwendern vorhersagen.
Da die Harmonisierung ein Grundprinzip des EU-Pflanzenschutzrechts ist, können diese Anpassungen nur gemeinsam auf EU-Ebene vorgenommen werden.
Wie werden die Beistoffe von Pflanzenschutzmitteln im Zulassungsverfahren berücksichtigt?
Pflanzenschutzmitteln enthalten neben den Wirkstoffen weitere Inhaltsstoffe, sogenannte Beistoffe, z.B. Lösungsmittel, Emulgatoren, Trägerstoffe, Farbstoffe oder Treibgase. Bei der Zulassung eines Pflanzenschutzmittels wird auch geprüft, ob diese Beistoffe bedenklich hinsichtlich der Gesundheit oder Umwelt sind. Das EU-Pflanzenschutzrecht sieht für Beistoffe keinen eigenen Testkatalog wie für Wirkstoffe vor. Grundlage für die Bewertung sind zunächst die vorhandenen Daten und Informationen; solche Daten können vorliegen, wenn der Beistoff dem Chemikalienrecht oder anderen EU-Vorschriften unterliegt. Weiterhin müssen bestimmte toxikologische und ökotoxikologische Studien mit dem Pflanzenschutzmittel durchgeführt. In diesen Tests werden mögliche Effekte von Beistoffen und Kombinationseffekte mit erfasst. Wenn Fragen offen bleiben, können die Behörden auch gezielt bestimmte Studien mit einzelnen Beistoffen verlangen.
Lösungsmittel wie Benzol oder krebserzeugende Azofarbstoffe sind schon seit langem aus Pflanzenschutzmitteln verbannt. Das BVL hat im Internet eine Liste mit Beistoffsubstanzen veröffentlicht, die nicht mehr akzeptiert werden. Die Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 sieht vor, eine Negativliste für Beistoffe auf EU-Ebene zu schaffen. Die EU-Kommission hat Ende 2015 mit den Vorbereitungen für die Erstellung einer solchen Liste begonnen.
Wie werden Pflanzenschutzmittel nach der Zulassung kontrolliert?
Die Verantwortung der Behörden endet nicht mit der Erteilung eines Zulassungsbescheides. Pflanzenschutzmittel unterliegen einer Reihe von Überwachungs- und Kontrollprogrammen:
- Bei der Verkehrskontrolle wird unter anderem überprüft, ob die Verkäufer sachkundig sind und die Beratungspflicht einhalten, ob die angebotenen Mittel verkehrsfähig sind und die Kennzeichnung korrekt ist. Diese Kontrollen führen die Pflanzenschutzdienste der Bundesländer durch.
- Bei den Anwendungskontrollen - ebenfalls durchgeführt durch die Pflanzenschutzdienste - geht es beispielsweise darum, dass Anwender nur zulässige Mittel anwenden und die Anwendungsbestimmungen einhalten.
- Die Lebensmittel- und Futtermittelüberwachung in den Bundesländern analysiert Lebensmittel und Futtermittel auf Rückstände von Pflanzenschutzmitteln.
- Länderbehörden und Wasserversorger überprüfen regelmäßig Grundwasser, Oberflächenwasser und Rohwasser zur Trinkwassergewinnung auf Pflanzenschutzmittelrückstände.
- Die Dokumentations- und Bewertungsstelle für Vergiftungen im Bundesinstitut für Risikobewertung bearbeitet Meldungen über Vergiftungen durch Pflanzenschutzmittel.
- Die Bienenuntersuchungsstelle des Julius Kühn-Instituts untersucht Bienen- und Pflanzenproben bei vermuteten Bienenschäden durch Pflanzenschutzmittel.
Das BVL wertet die Daten dieser Überwachungsprogramme aus und prüft alle sonstigen Meldungen über unerwartete Auswirkungen und besondere Vorkommnisse mit Pflanzenschutzmitteln. Wenn es erforderlich ist, kann das BVL die Zulassung für ein Pflanzenschutzmittel ändern, sie ruhen lassen oder widerrufen.