Die Verbrauchsmengenerfassung - Antibiotikameldungen
Seit 2023 sind alle Mitgliedstaaten der EU nach Art. 57 der Europäischen Tierarzneimittelverordnung
(VO (EU) 2019/6) verpflichtet, die bei Tieren eingesetzten Mengen antimikrobieller Arzneimittel zu erfassen und der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA – European Medicines Agency) zu übermitteln. In Deutschland sind derzeit nur die Antibiotikaverwendungen von der Erfassungspflicht betroffen. Durch die Antibiotikameldungen kann die aktuelle Situation analysiert werden und somit können Maßnahmen zur Bekämpfung von antimikrobiellen Resistenzen (AMR) bewertet und bei Bedarf angepasst werden. Das ist ein wichtiger Beitrag im gemeinsamen europäischen Kampf gegen die Zunahme von AMR. Das BVL fungiert bei der Verbrauchsmengenerfassung als nationaler Datenverwalter und übermittelt die aufbereiteten Daten an die EMA.
Bitte schauen Sie für aktuelle Informationen auf unsere Newstickerseite.
- Hilfestellungen für die Antibiotikameldungen (Verbrauchsmengenerfassung)
- Hintergrund und Rechtsgrundlagen
- Datenerhebung und -meldung
- Datenaufbereitung und -übermittlung an die EMA
Hilfestellungen für die Antibiotikameldungen (Verbrauchsmengenerfassung)
Hier finden Sie eine aktuelle Information zur Umsetzung der Antibiotikameldungen für Hunde und Katzen (Stand November 2024)
Hier finden Sie Antworten auf Fragen rund um die Antibiotikameldungen.
Eine Excel-Datei, die für Ihre eigene Dokumentation der Daten und zur Meldung an die HI-Tier Tierarzneimitteldatenbank verwendet werden kann, finden Sie hier.
Hier finden Sie technische Informationen bzw. eine Anleitung für das Hochladen von Ihren Daten an die HI-Tier in Form einer CSV-Datei (Massenmeldung von Arzneimittel-Verwendungen per CSV-Datei).
Hier finden Sie ein Video von HI-Tier zur Eingabe in die Meldemaske der HI-Tier Datenbank.
Hier können Sie die Arzneimittellisten herunterladen
Hintergrund und Rechtsgrundlagen
Antimikrobielle Arzneimittel sind zur Behandlung von Infektionskrankheiten unverzichtbar. Jedoch erhöht jeder Einsatz – insbesondere ein übermäßiger oder falscher – das Risiko der Entstehung antimikrobieller Resistenzen (AMR). Durch Resistenzen verlieren die Arzneimittel an Wirkung, was mit erheblichen Konsequenzen für die menschliche und tierische Gesundheit einhergehen kann. Zudem haben AMR auch weitreichende Auswirkungen auf die Umwelt und das Wirtschaftswachstum. Nach Expertenschätzungen sterben jährlich etwa 33.000 Menschen in der EU/EWR an den Folgen von Infektionen mit antibiotikaresistenten Bakterien (Cassini, 2019), weltweit wird die Zahl der Todesfälle auf 1,27 Millionen geschätzt (Antimicrobial Resistance Collaborators; 2022).
Die Mitgliedstaaten der Europäischen Union haben 2017 einen Aktionsplan zur Bekämpfung der Resistenzen gegen antimikrobielle Mittel aufgesetzt, zu dem unter anderem die EU-Leitlinien für die umsichtige Verwendung antimikrobieller Mittel in der Tiermedizin gehören. Weitere Maßnahmen wurden im Rahmen des European Green Deal mit der From-Farm-to-Fork- bzw. Vom Hof auf den Tisch - Strategie beschlossen. Hier wurde festgelegt, dass in der Nutztierhaltung zwischen 2018 und 2030 eine Reduktion des europäischen Gesamtumsatzes von antimikrobiellen Arzneimitteln um 50 % erfolgen soll. Um diese gemeinsame Herausforderung zu meistern, trägt jeder Mitgliedstaat seinen Anteil bei.
Eines der Hauptziele der Europäischen Tierarzneimittelverordnung (Verordnung (EU) 2019/6) ist die Verstärkung der Maßnahmen der EU im Kampf gegen AMR. Um AMR erfolgreich und zielführend zu bekämpfen, benötigt die EU u.a. ausreichend detaillierte und vergleichbare Daten über das Verkaufsvolumen (Abgabemengen) und die Verwendung antimikrobieller Arzneimittel (Verbrauchsmengen - Antibiotikameldungen) bei Tieren. Diese Datenerhebung wurde im Artikel 57 Abs. 1 und 2 der Verordnung (EU) 2019/6 festgelegt. Zu diesem Artikel gibt es zwei Nachfolgeverordnungen für die Konkretisierung und Ausgestaltung der Datenerhebung.
Die Delegierten Verordnung (EU) 2021/578 konkretisiert die Anforderungen an die Datenerhebung. In Art. 6 und 7 werden die Anforderungen an die Datenqualität inklusive der Datenqualitätssicherung erläutert. Zudem ist die Nennung einer nationalen Anlaufstelle und eines Datenverwalters gefordert. Diese Aufgabe übernimmt das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL).
Unter Art. 15 werden die Tierarten aufgeführt, für die Verwendungsdaten antimikrobiell wirksamer Arzneimittel erhoben werden müssen. Diese sind in drei Stufen mit unterschiedlichem Beginn der Datenerhebung unterteilt worden:
- Stufe 1: Seit dem Jahr 2023 müssen die Daten für Rinder, Schweine, Hühner und Puten erhoben werden.
- Stufe 2: Die Datenerhebung für Enten, Gänse, Schafe, Ziegen, Fische (Arten entsprechend der Verordnung), Pferde (inkl. Nicht-Schlachttiere) und der Lebensmittelgewinnung dienende Kaninchen kommt ab dem Jahr 2026 hinzu.
- Stufe 3: Nach dieser Verordnung müssen die Daten für Hunde und Katzen (und Pelztiere, jedoch in Deutschland derzeit nicht relevant) ab dem Jahr 2029 erhoben werden.
Außerdem sind im Anhang dieser Verordnung die ATCVet-/ATC-Codes (Anatomical Therapeutic Chemical classification system for (veterinary) medicinal products) für die obligatorischen und fakultativen antimikrobiellen Arzneimittel aufgelistet, über deren Verkaufsvolumina und deren Verwendung bei Tieren Daten erhoben werden müssen bzw. können.
Zu Beginn des Jahres 2022 hat die Kommission die Durchführungsverordnung (EU) 2022/209 zur Festlegung des Formats der zu erhebenden und meldenden Daten veröffentlicht. Im Anhang II sind in tabellarischer Form die erforderlichen Datenfelder für die Verwendungsdaten mit Beschreibungen aufgelistet, die für einen kompletten Datensatz zur Meldung an die EMA notwendig sind. Ein Großteil der erforderlichen Datenfelder wird nachträglich angereichert, sodass nicht alle geforderten Informationen durch die Meldenden bereitgestellt werden müssen.
Die nationale Umsetzung dieser europäischen Verordnungen ist unerlässlich, um Deutschlands Verpflichtung im globalen und europäischen Kampf gegen AMR zu erfüllen. Demzufolge wurde und wird das Tierarzneimittelgesetz (TAMG) im Hinblick auf die erwähnten Verpflichtungen angepasst.
Datenerhebung und -meldung
Die nationale Implementierung der Datenerhebung für die Antibiotikaverwendungsdaten erfolgt in drei Stufen unterteilt nach Tierarten, wie im Art. 15 der Delegierten Verordnung (EU) 2021/578 erläutert. Seit dem Jahr 2023 müssen in der ersten Stufe die angewendeten, abgegebenen oder verschriebenen Mengen antibakteriell wirksamer Arzneimittel für Rinder, Schweine, Hühner und Puten erhoben werden. Diese Daten werden jährlich vom BVL validiert, angereichert und mit Hilfe einer Vorlage von der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) an eben diese über eine Webapplikation gesendet. Ab dem Jahr 2026 kommt in der zweiten Stufe die Erhebung der Antibiotikaverwendungsdaten für Enten, Gänse, Schafe, Ziegen, Fische (entsprechend der Verordnung), Pferde und der Lebensmittelgewinnung dienende Kaninchen hinzu. Das bedeutet, dass das BVL im Jahr 2027 für alle genannten Tierarten der Stufe 1 und 2 die Daten aufbereiten und an die EMA übermitteln wird. Nach Art. 15 ist ab dem Jahr 2029 auch die Datenerhebung für Hunde und Katzen (und Pelztiere) verpflichtend. Im aktuellen TAMG ist die Erhebung für Antibiotikaverwendungsdaten bei Hunden und Katzen bereits für das Jahr 2025 erforderlich.
Quelle: Budimir Jevtic - stock.adobe.com
Von der EMA wird vorausgesetzt (nach Art. 6 u. 7 der Del. Verordnung (EU) 2021/578), dass die national erhobenen Daten eine ausreichend hohe Datenqualität haben und vollständig sind. Vor dem Hintergrund, dass neben den Meldungen für Nutztierarten auch Meldungen für Haus- und Hobbytiere abgegeben werden müssen, erschienen die Tierhaltenden als generelle Datenmeldende nicht geeignet. Sie verfügen in der Regel nicht über das erforderliche Fachwissen und die Infrastruktur, um Informationen über die eingesetzten Arzneimittel korrekt weiterzugeben. Diese Umstände bedingen, dass die Aufgabe der Datenmeldung in der erforderlichen Qualität nur von der Tierärzteschaft geleistet werden kann und daher die Meldepflicht auf diese Personengruppe übergegangen ist. Es ist jedoch möglich einen Dritten mit Hilfe einer „Tierarzterklärung“ als Meldenden in der HI-Tier Datenbank zu hinterlegen. Weitere Informationen zur Meldung über Dritte finden Sie in unserem FAQ Dokument und auf den Hilfeseiten der HI-Tier.
Seit 2014 gibt es in Deutschland bereits eine Anwendungserfassung von Antibiotika (Benchmarkingsystem/Antibiotikaminimierungskonzept), die für die Berechnung der Therapiehäufigkeiten verwendet wird. In diesem System wurden jedoch nur die Daten für Masttiere erfasst und es werden nur Tierbestände oberhalb festgelegter Bestandsgrenzen einbezogen. In der Datenerhebung für die EMA Meldung müssen hingegen die Mengen antibiotisch wirksamer Arzneimittel (Anwendung, Abgabe, Verschreibung) für alle Nutzungsarten der Tierarten Rind, Schwein, Huhn und Pute unabhängig von der Bestandsgröße erfasst werden. Für das Antibiotikaminimierungskonzept wurde die Tierarzneimitteldatenbank (TAM-DB) in der HI-Tier (Herkunfts- und Informationssystem für Tiere) erstellt und erfolgreich verwendet. Daher wurde die TAM-DB so angepasst, dass eine Meldung mit den neuen Verpflichtungen dort ebenfalls möglich ist – für alle Tierarten.
Da die Auswertung bei der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) auf Packungsebene erfolgt, wurde zur eindeutigen Vergleichbarkeit der Daten zwischen den Mitgliedstaaten eine unverwechselbare Identifizierung jeder Produktaufmachung für die einzelnen Tierarzneimittel erstellt – der sogenannte UPD-Package Identifier (UPD-PI). Dieser Code ist für jedes Produkt einzigartig und in ihm sind u.a. die Arzneimittelbezeichnung, die Packungsgröße und die Beschreibung der Packung samt Inhalt (Form und Material) hinterlegt. Der UPD-PI für das jeweilige Tierarzneimittel muss bei der Meldung an die EMA übermittelt werden. Dabei handelt es sich um einen längeren alphanumerischen Code. Daher wurde für die Antibiotikameldungen eine alternative Identifizierung erstellt: die nationale Packungs-ID. Diese kann nachträglich dem richtigen UPD-PI zugeordnet werden. Die Packungs-ID ist eine laufende Nummer, die für die jeweiligen Arzneimittel unterschiedlicher Packungsgröße bzw. mit verschiedenen Umverpackungen (z.B. Plastikbehältnis, Blister) vergeben wurden. Beide Daten können über die Beschreibung der Verpackung ausgewählt werden. Diese Parameter sind in der Arzneimittelliste enthalten und dementsprechend in der Meldemaske der HI-Tier hinterlegt.
Die elektronische Übermittlung an die TAM-DB kann auf verschiedene Wege erfolgen. Detaillierte Informationen finden Sie im FAQ Dokument.
Datenaufbereitung und -übermittlung an die EMA
Die Daten aus den Antibiotikameldungen werden jeweils zu Beginn des auf die Erhebung folgenden Jahres anonymisiert an das BVL übermittelt. Diese Daten werden auf Plausibilität geprüft und entsprechend den Vorgaben aus der Durchführungsverordnung zu den Datenformaten (Verordnung (EU) 2022/209) und den Mustern und Protokollen der EMA aufbereitet bzw. ergänzt und an die EMA übermittelt.
Dokumente
Weiterführende Links
- www.hi-tier.de/Entwicklung/
- Informationsseite zu EU-Maßnahmen zur Bekämpfung antimikrobieller Resistenzen
- Cassini et al., (2019) „Attributable deaths and disability-adjusted life-years caused by infections with antibiotic-resistant bacteria in the EU and the European Economic Area in 2015: a population-level modelling analysis“, in Lancet Infect Dis., Band 19, Ausgabe 1, S. 55
- Antimicrobial Resistance Collaborators. (2022). Global burden of bacterial antimicrobial resistance in 2019: a systematic analysis. The Lancet; 399(10325):P629-655. DOI
- EU-Aktionsplan zur Bekämpfung antimikrobieller Resistenzen
- Strategie „Vom Hof auf den Tisch“/ From Farm to Fork (engl.)
- EU-Leitlinien für die umsichtige Verwendung antimikrobieller Mittel in der Tiermedizin
- Antimicrobial Resistance - Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) (engl.)
- Antimicrobial Resistance (AMR) – Weltorganisation für Tiergesundheit (WOAH) (engl.)
- Antimicrobial Resistance - Weltgesundheitsorganisation (WHO) (engl.)
- DART - Deutsche Antibiotika-Resistenzstrategie (BMG)
- Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) (engl.)
- Eckpunktepapier für ein nationales Antibiotikaminimierungskonzept für die Tierhaltung
Rechtliche Grundlagen
- Verordnung (EU) 2019/6 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2018 über Tierarzneimittel und zur Aufhebung der Richtlinie 2001/82/EG (PDF, 2MB, nicht barrierefrei); Deutsch)
- Delegierte Verordnung (EU) 2021/578 der Kommission vom 29. Januar 2021 zur Ergänzung der Verordnung (EU) 2019/6 des Europäischen Parlaments und des Rates im Hinblick auf Anforderungen an die Erhebung von Daten über das Verkaufsvolumen und die Anwendung von antimikrobiellen Arzneimitteln bei Tieren
- Durchführungsverordnung (EU) 2022/209 der Kommission vom 16. Februar 2022 zur Festlegung des Formats der zu erhebenden und zu meldenden Daten für die Bestimmung des Verkaufsvolumens und der Anwendung von antimikrobiellen Arzneimitteln bei Tieren gemäß der Verordnung (EU) 2019/6 des Europäischen Parlaments und des Rates
- Tierarzneimittelgesetz vom 27. September 2021 (BGBl. I S. 4530), das zuletzt durch Artikel 1 der Verordnung vom 14. März 2024 (BGBl. 2024 I Nr. 97) geändert worden ist