Vergleichende Bewertung nach Artikel 50 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 – Hinweise für Antragsteller

Einleitung

Dieser Text beschreibt die Verfahrensweise in Deutschland für die Vergleichende Bewertung nach Art. 50 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009. Er enthält Informationen für Antragsteller zu den einzureichenden Unterlagen und zum Ablauf der Prüfung.

Anträge auf gegenseitige Anerkennung

Die Vergleichende Bewertung (Comparative Assessment = CA) wird nach Art. 50 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 in nationaler Verantwortung durchgeführt. Eine gegenseitige Anerkennung von Zulassungen ist nach Art. 41 Abs. 2 Buchst. b der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 für Mittel mit Substitutionskandidaten nicht obligatorisch und wird in Deutschland nur in Ausnahmefällen erteilt werden, wenn in der Landwirtschaft eine dringende Notwendigkeit für die Zulassung des Mittels in Deutschland besteht.

Zusätzliche Unterlagen

Enthält das beantragte Pflanzenschutzmittel einen oder mehrere Wirkstoffe, die als Substitutionskandidaten eingestuft sind, so unterliegt es der Vergleichenden Bewertung. Welche weiteren Unterlagen dazu einzureichen sind, hängt von den nachfolgend beschriebenen Fällen ab. Die Unterlagen sollten als zusätzliche Dokumente vorgelegt werden (zu Dokument N (Summaries) bzw. Part D (Additional Documents)). Eine Übersicht der notwendigen Dokumente finden Sie in Kapitel 2.5.7.1 der Hinweise zur Antragstellung und zu einzureichenden Unterlagen.

a) Verkürzte Zulassung zur Sammlung von Erfahrungen

Ein Pflanzenschutzmittel, das einen Substitutionskandidaten enthält, kann gemäß Art. 50 Abs. 3 S. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 ohne vergleichende Bewertung zugelassen werden, wenn zunächst durch die praktische Verwendung des Mittels Erfahrungen gesammelt werden sollen. Wird dies im Antragsformular und im Anschreiben beantragt, ist eine plausible und nachvollziehbare Begründung einzureichen, warum mit dem Mittel noch Erfahrungen in der Praxis gesammelt werden müssen. Wenn dem Zulassungsantrag gemäß Art. 50 Abs. 3 S. 2 stattgegeben wird, wird die Zulassung einmalig für die Dauer von höchstens fünf Jahren erteilt.

Soll die vergleichende Bewertung nachgeholt werden, kann nach vier Jahren ein formloser Antrag gestellt werden. Hierzu müssen die für eine vergleichende Bewertung notwendigen Unterlagen, insbesondere die während der verkürzten Zulassung gewonnenen Erfahrungen, vorgelegt werden.

Bei Bedarf wird, soweit es als Ergebnis der vergleichenden Bewertung erforderlich ist, der Inhalt der Zulassung angepasst. Erweisen sich die einer vergleichenden Bewertung unterzogenen Anwendungen als ersetzbar (substituierbar), so endet die Zulassung der betroffenen Anwendungen zum ursprünglich festgelegten Zeitpunkt. Für die Anwendungen, die nicht ersetzbar sind, wird das Zulassungsende auf das reguläre Datum (Ende der Wirkstoffgenehmigung + 1 Jahr) festgesetzt.

Liegt ein entsprechender Antrag nicht rechtzeitig vor, so läuft die Zulassung nach 5 Jahren aus.

b) Fehlen von Alternativen

In bestimmten Fällen lässt sich durch einfache Kriterien feststellen, dass keine ausreichenden praktikablen Alternativen zur Verfügung stehen bzw. keine Pflanzenschutzmittel zugelassen sind, die deutlich sicherer für Mensch und Umwelt sind. In diesen Fällen führen die Zulassungsbehörden keine vertiefte Vergleichende Bewertung durch. Mit dem Antrag ist lediglich zu belegen, dass die entsprechende Bedingung vorliegt.

c) Andere Anträge

Fällt der Antrag nicht unter die vorgenannten Buchstaben a oder b, ist eine vertiefte Vergleichende Bewertung nach EPPO Standard PP1/271 „Guidance on comparative assessment“ notwendig.

Dazu kann eine Darstellung der Vorzüglichkeit des beantragten Mittels gegenüber den Alternativen mit dem Antrag eingereicht werden. Diese Darstellung ist nicht verpflichtend; sie braucht auch keine Liste von Alternativen zu enthalten (eine solche Liste wird vom JKI erzeugt; der Antragsteller erhält sie später mit der Möglichkeit der Kommentierung). Der Antragsteller kann aber die Vorzüglichkeit des beantragten Mittels gegenüber den Alternativen eingehend beschreiben und auch die nennenswerten wirtschaftlichen und praktischen Nachteile bei Substitution des Mittels erläutern, um zu begründen, warum das Mittel aus Sicht des Antragstellers nicht ersetzbar ist. Dabei sollten die Fragen 1-5 des EPPO Standards PP1/271 als Grundlage dienen. Für nicht-chemische Alternativen kann auf das Defra-Papier (Non-chemical pest control methods: A review of the literature to establish their efficacy and safety to workers, to inform the process of comparative assessment required by new pesticide legislation - Defra Project Code: PS2809/348656) verwiesen werden.

Einzureichen ist eine Darstellung der Resistenzsituation für jede beantragte Indikation (außer Lückenindikationen). Dazu sollten die Fragen 6 bis 10 des EPPO Standards PP1/271 beantwortet werden. Als Richtgröße werden laut EPPO Standard PP1/271 je nach Resistenzrisiko 2 bis 4 Wirkstoffe mit unterschiedlicher Wirkungsweise für ein Resistenzmanagement als erforderlich erachtet. Dies ist jedoch keine starre Vorgabe, sondern hängt u.a. auch vom Potential des Schaderregers zur Resistenzbildung, bereits aufgetretenen Resistenzen und der notwendigen Bekämpfungshäufigkeit ab.

Verfahrensablauf

Die Vergleichende Bewertung ist in das reguläre Zulassungsverfahren integriert. Die Bearbeitung in den Behörden erfolgt nach dem üblichen Zeitplan.

Zunächst wird geprüft, ob wie oben beschrieben eine Konstellation vorliegt, bei der anzunehmen ist, dass keine ausreichenden Alternativen vorliegen. In diesem Fall wird auf eine vertiefte Vergleichende Bewertung verzichtet. Wenn eine vertiefte Vergleichende Bewertung notwendig ist, überprüft das JKI für jede beantragte Anwendung, ob geeignete alternative Bekämpfungsmethoden verfügbar sind. Hierbei gilt für die alternativen Pflanzenschutzmittel der Stand der Zulassung bei Bearbeitungsbeginn im JKI. Bei der Prüfung im JKI werden auch „versteckte Lücken“ (Lücken, die in anderen Indikationen subsumiert sind) berücksichtigt.

Wurden durch das JKI praktikable und wirtschaftlich zumutbare chemische und/oder nicht-chemische Alternativen ermittelt, schließt sich eine risikobasierte Vergleichende Bewertung zwischen den Anwendungen des beantragten Pflanzenschutzmittels und der oder den Alternativen an. Ist Deutschland bewertender Mitgliedstaat (ZV1-Verfahren) wird die Liste der möglichen Alternativen dem Antragsteller mit der Zwischenmitteilung nach der Bewertungsphase I sowie mit dem Entwurf des dRR zur Kommentierung zur Verfügung gestellt. Ist Deutschland beteiligter Mitgliedstaat erhält der Antragsteller nach Eingang des dRR und zum Abschluss des Managements die Liste der möglichen Alternativen.

Für die Schlussfolgerung ist in Part A des Registration Reports (neues RR-Format) ein eigenes Kapitel vorgesehen. Die ausführliche Darstellung der deutschen Bewertung wird in einem „National Addendum on Comparative Assessment“ mit dem RR veröffentlicht.