Ferntransport von Pflanzenschutzmittel-Wirkstoffen über die Luft
Pflanzenschutzmittel und deren Wirkstoffe können z. B. durch Verflüchtigung und Staubverwehung auf nicht behandelte Flächen auch in größerer Entfernung gelangen. Das BVL hat daher im Jahr 2020 ein Gutachten (Machbarkeitsanalyse) zur Darstellung und Erörterung der Verfrachtungsproblematik erstellen lassen. Ein Ergebnis war der Vorschlag für ein bundesweites Monitoring zur Verfrachtung von Pflanzenschutzmittel-Wirkstoffen über die Luft. Eines der Ziele dieses Monitorings soll sein, belastbare Informationen für die Berücksichtigung der Verfrachtung in den Zulassungsverfahren, u. a. für ein verbessertes und effizienteres Risikomanagement, zu erlangen.
Vorstudie mit Geodatenanalyse
Als ersten Schritt hat das BVL im Jahr 2022 eine Vorstudie zur Identifizierung von geeigneten Standorten für ein staatliches Monitoring durchführen lassen. Die Vorstudie liefert konkrete Vorschläge für ein Monitoring der Verfrachtung und Deposition von Pflanzenschutzmitteln nach fachgerechter Anwendung. Mithilfe einer Geodatenanalyse wurden mögliche Monitoringgebiete identifiziert (siehe unten). Die hierbei verwendeten Daten umfassen die Landschaftstypen Deutschlands, den Atlas zur Agrarstatistik, die Behandlungsintensität mit Pflanzenschutzmitteln aus Daten des Julius Kühn-Instituts und des Thünen-Instituts, die Wettersituation an den Standorten und die Abstände zu Anwendungsflächen.
Die öffentliche Version des Ergebnisberichts der Vorstudie wurde um einige Informationen, wie z.B. Kostenschätzungen und persönliche Kontaktdaten, bereinigt.
Kurzfassung der Ergebnisse der Geodatenanalyse
Im Ergebnis der Vorstudie wird empfohlen, für ein repräsentatives Luft-Monitoring verschiedene repräsentative Klima-und Agrarräume in Deutschland zu untersuchen. Dafür wurden anhand von Klimadaten verschiedene Klimaräume ermittelt. Weiterhin wurde Deutschland in verschiedene Regionen in Abhängigkeit der Behandlungsintensität durch Pflanzenschutzmittel unterteilt. In einem repräsentativen Luft-Monitoring sollten mindestens fünf repräsentative Kombinationen aus Klimaraum (KR) und Behandlungsintensität (BI) untersucht werden.
Für die Messstationen innerhalb dieser BI/KR-Kombinationen sollten drei Entfernungsklassen abgedeckt sein:
- „Nahbereich“ < 100 m,
- „mittlerer Entfernungsbereich“ 100 – 1000 m,
- „Fernbereich“ > 1000 m.
Hierbei werden zur nächsten Agrarfläche in Hauptwindrichtung je zwei Stationen pro Entfernungsklasse für diese fünf repräsentativen BI/KR-Kombinationen vorgeschlagen. Damit werden mindestens 30 Messstationen benötigt.
Dabei ist folgende Messtechnik je Messstation vorgesehen:
- Bulksammler (Gesamtdeposition pro m2): Erfassung der Gesamtdeposition (trockene und nasse Deposition zeitgleich pro m2)
- Aktiver Luftsammler: Bestimmung der Konzentration von Pflanzenschutmittel-Wirkstoffen in der Luft pro m3
- Beprobungsstelle für Pflanzen (Grünkohl als repräsentative Kulturpflanze): Abschätzung der Exposition der Nicht-Zielpflanzenbelastung
- Beprobungsstelle für Bodendeposition (Bodenoberfläche): Abschätzung der Exposition für Arthropoden bzw. Bodenorganismen
Um ein möglichst kostengünstiges und effizientes Monitoring zu ermöglichen, werden BI/KR-Kombinationen vorgeschlagen, welche an das Agrarmeteorologische Messnetz und in bereits vorhandenen Luftmonitoring-Messnetzen einzelner Bundesländer angebunden sind. Somit kann eine bereits vorhandene Infrastruktur genutzt werden.
Pilotstudie
Im Jahr 2023 wurde im Auftrag des BVL eine Pilotstudie durchgeführt, welche Vorarbeiten für ein bundesweites Monitoring zur luftgetragenen Verfrachtung von Pflanzenschutzmittel-Wirkstoffen und deren Bestimmung in der Luft und im Regenwasser beinhaltete. Dabei sollten Erfahrungen im Hinblick auf die Abläufe der Probengewinnung, die Logistik sowie die Analytik der Proben und die Plausibilität der Ergebnisse gewonnen werden.
Zum Download: öffentliche Version des Ergebnisberichts der Pilotstudie
Kurzfassung der Ergebnisse der Pilotstudie
In den Bundesländern Bayern, Brandenburg und Nordrhein-Westfalen wurden in bereits existierende Messstationen jeweils ein passiver und ein aktiver Luftsammler integriert. Im Projektverlauf wurde in einem 28 tägigen Abstand fünf Probenahmen an den jeweiligen Messstationen mit der ersten Probenahme im August 2023 realisiert.
Die Proben wurden in einem nach DIN EN ISO 17025 akkreditierten Labor analysiert.
Insgesamt konnten 87 Proben auf 63 Analyten untersucht werden mit einer Berichtsgrenze von 5 ng/L (Passivsammler) bzw. 5 ng/m3 Luft (Aktivluftsammler). Unter diesen Bedingungen wurden in der Pilotstudie insgesamt 30 der untersuchten Substanzen gefunden.
Die Probenahmestandorte in Bayern (Neusling) und in Nordrhein-Westfalen (Essen-Schuir) lagen in der Nähe von landwirtschaftlicher Nutzung (überwiegend Ackerbau), während der Standort in Brandenburg (Spreewald) von landwirtschaftlicher Nutzung einige km entfernt war. Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass es in den meisten Fällen eine Korrelation zwischen der Anzahl der gefundenen Substanzen sowie deren Konzentration von der Distanz zur landwirtschaftlichen Nutzfläche gibt. Die meisten Funde zeigten sich im intensiv landwirtschaftlich genutzten Gebiet in Neusling (Bayern), gefolgt vom Standort Essen-Schuir (Nordrhein-Westfalen) während an der Station im Spreewald (Brandenburg) am wenigsten Substanzen gefunden wurden.