Grundlagen

Rückstandshöchstgehalte werden in der Europäischen Union seit 2005 harmonisiert auf der Grundlage der Verordnung (EG) Nr. 396/2005 des europäischen Parlaments und des Rates über Höchstgehalte an Pestizidrückständen in oder auf Lebens- und Futtermitteln pflanzlichen und tierischen Ursprungs festgesetzt.

Die Verordnung (EG) Nr. 396/2005 wurde zu einem Zeitpunkt eingeführt, als die Genehmigung der Wirkstoffe noch unter der Richtlinie 91/414/EWG erfolgte. Mit der Veröffentlichung der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 wurde klargestellt, dass Verweise auf die Richtlinie 91/414/EWG als Verweise auf die Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 gelten. Im nachfolgenden Text wird daher auf die neuen Fundstellen verwiesen und die alten in eckigen Klammern beibehalten.

Grundsätzlich gilt, dass ein Antrag auf Zulassung gleichzeitig zum entsprechenden Rückstandshöchstgehalt beantragt werden muss (Artikel 6). Ohne einen festgesetzten Höchstgehalt für Lebensmittel und/oder Futtermittel dürfen diese nicht in Verkehr gebracht werden (Artikel 18 Abs. 1). Alle Kombinationen von Wirkstoff und Erzeugnis ohne eine bestehende Zulassung von Pflanzenschutzmitteln, die nicht in den Anhängen I, III und V bzw. deren Wirkstoffe nicht im Anhang IV aufgeführt sind, sind a priori mit einem Wert von 0,01 mg/kg geregelt (Artikel 18 Abs. 1 b)). In Fällen von „Gefahr im Verzug“ nach Art. 53 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 [Art. 8 Abs. 4 der Richtlinien 91/414/EWG] und der Richtlinie 2000/29/EG sind Abweichungen vom bestehenden Rückstandshöchstgehalt (einschließlich des Wertes von 0,01 mg/kg) möglich (Artikel 18 Abs. 4).

Aufbau der Verordnung

Der Verordnungstext sieht 36 Erwägungsgründe vor. Die Verordnung ist in zehn Kapitel mit insgesamt 50 Artikeln sowie acht Anhänge gegliedert:

Kapitel IGegenstand, Geltungsbereich und Definitionen
Kapitel IIGemeinschaftsverfahren für Rückstandshöchstgehaltsanträge
Kapitel IIIRückstandshöchstmengen für Erzeugnisse pflanzlichen und tierischen Ursprungs
Kapitel IVBesondere Bestimmungen für die Aufnahme bestehender Rückstandshöchstgehalte in diese Verordnung
Kapitel VAmtliche Kontrollen, Berichterstattung und Sanktionen
Kapitel VISofortmaßnahmen
Kapitel VIIFlankierende Maßnahmen bezüglich harmonisierter Rückstandshöchstgehalte für Pestizide (inzwischen gestrichen und durch die Verordnung (EU) Nr. 652/2014 ersetzt)
Kapitel VIIIKoordinierung von Anträgen betreffend Rückstandshöchstgehalte
Kapitel IXDurchführung
Kapitel XSchlussbestimmungen
Anhang IErzeugnisse pflanzlichen und tierischen Ursprungs gemäß Artikel 2 Absatz 1
Anhang IIBislang in den Richtlinien 86/362/EWG, 86/363/EWG und 90/642/EWG festgelegte Rückstandshöchstgehalte gemäß Artikel 21 Absatz 1
Anhang IIIVorläufige Rückstandshöchstgehalte gemäß Artikel 16 Absatz 1 und Artikel 22 Absatz 1
Anhang IVListe der Wirkstoffe von Pflanzenschutzmitteln, die gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 bewertet wurden und für die nach Artikel 5 Absatz 1 keine Rückstandshöchstgehalte erforderlich sind
Anhang VBestimmungsgrenzen liegen oberhalb von 0,01 mg/kg (Artikel 18 Abs. 1)
Anhang VISpezifische Konzentrations- und Verdünnungsfaktoren (Artikel 20 Abs. 2)
Anhang VIIBegasungsmittel: Wirkstoff-Erzeugnis-Kombinationen nach Artikel 18 Abs. 3


Unter den besonderen Umständen des Anhangs III sind zu verstehen:

  • Ausnahmefälle, insbesondere dann, wenn Rückstände infolge der Umweltverschmutzung oder einer anderen Kontamination oder infolge der Verwendung von Pflanzenschutzmitteln gemäß Artikel 53 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 [Artikel 8 Absatz 4 der Richtlinie 91/414/EWG] auftreten können,
  • Ausnahmefälle, wenn die betreffenden Erzeugnisse nur einen geringfügigen Bestandteil der Ernährung, auch keinen wichtigen Bestandteil der Ernährung relevanter Bevölkerungsgruppen und gegebenenfalls von Tieren darstellen,
  • Honig oder Kräutertees,
  • wenn in einer Entscheidung, einen Wirkstoff nicht zu genehmigen [in Anhang I der Richtlinie 91/414/EWG nicht aufzunehmen bzw. zu streichen], wesentliche Verwendungszwecke eines Pflanzenschutzmittels aufgezeigt wurden (so genannte essential uses),
  • wenn neue Erzeugnisse, Gruppen von Erzeugnissen und/oder Teile von Erzeugnissen in Anhang I aufgenommen werden und ein oder mehrere Mitgliedstaaten dies beantragen, um die Durchführung und Bewertung der zur Untermauerung einer Höchstmenge erforderlichen wissenschaftlichen Untersuchungen zu ermöglichen, sofern keine unannehmbaren Sicherheitsbedenken für die Verbraucher festgestellt wurden.

In allen Fällen verbleibt eine solche Höchstmenge für maximal zehn Jahre (abhängig von Umstand) im Anhang III. Danach muss eine Neubewertung erfolgen.

Verfahren zur Festsetzung von Rückstandshöchstgehalten

Am Verfahren zur Festsetzung von Rückstandshöchstgehalten sind die Mitgliedsstaaten, die Europäische Kommission und die EFSA gleichermaßen beteiligt.

Ein Antrag auf Erteilung eines Höchstgehaltes wird zusammen mit dem Zulassungsbegehren bei einem Mitgliedsstaat gestellt. Die Anträge können die folgenden Gruppen stellen:

  • Antragsteller (nach Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 [nach Richtlinie 91/414/EWG]),
  • alle Beteiligten, die ihr berechtigtes Interesse an Gesundheitsfragen nachweisen können, einschließlich Organisationen der Zivilgesellschaft,
  • Betroffene mit einem kommerziellen Interesse, wie Hersteller, Erzeuger, Importeure und Produzenten der unter Anhang I fallenden Erzeugnisse,
  • Mitgliedsstaaten der Europäischen Union.

Beantragt werden können

  • die Festsetzung eines spezifischen Rückstandshöchstgehaltes in den Anhängen II, III oder V für neue oder bekannte Wirkstoffe für Anwendungen in der EU oder als Importtoleranz
  • die Streichung eines Rückstandshöchstgehaltes (in der Regel ist dies allerdings nur im Rahmen eines Artikel 12-Verfahrens möglich)
  • die Aufnahme eines Wirkstoffs in den Anhang IV
  • die Anpassung einer Rückstandsdefinition
  • die Aufnahme einer Wirkstoff-Erzeugnis-Kombination in den Anhang VII.

In Zukunft soll es auch möglich sein, die Bewertung von unterstützenden Daten zu beantragen, die im Rahmen eines Artikel 12-Verfahrens nach Verordnung (EG) Nr. 396/2005 gefordert werden.

Ein Antrag umfasst nach Maßgabe von Art. 7 Verordnung (EG) Nr. 396/2005:

  • Name und Anschrift des Antragstellers,
  • das Antragsdossier (mit Zusammenfassung des Antrags, den wichtigsten Argumenten, einem Verzeichnis der beigefügten Unterlagen, einer Kopie der den spezifischen Verwendungszweck des Wirkstoffs betreffenden guten Agrarpraxis),
  • eine vollständige Übersicht über alle relevanten Bedenken, die in der verfügbaren wissenschaftlichen Literatur in Bezug auf das Pflanzenschutzmittel und/oder dessen Rückstände erwähnt werden,
  • die Angaben gemäß den Verordnungen (EU) Nr. 283/2013 und 284/2013 [Anhänge II und III der Richtlinie 91/414/EWG]) im Rahmen der Datenanforderungen für die Festlegung von Rückstandshöchstgehalten für Pestizide, gegebenenfalls einschließlich toxikologischer Daten und Daten über Routineanalysemethoden zur Anwendung in Kontrolllaboratorien sowie Daten über den Pflanzen- und Tiermetabolismus.

Die EFSA und die Europäische Kommission erhalten eine Kopie des Antrages. Daran schließt sich eine unverzügliche Bewertung durch den Mitgliedsstaat (im Falle eines nationalen Zulassungsantrages für ein Pflanzenschutzmittel) oder den Bericht erstattenden Mitgliedsstaat an (im Falle einer Beantragung einer Importtoleranz). Bei der Bewertung sind auch öffentlich zugängliche Daten (z. B. Codex Alimentarius, Bewertung nach Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 [Richtlinie 91/414/EWG]) zu nutzen; bei Nichtnutzung muss eine Begründung abgegeben werden. Der Bewertungsbericht wird an die Europäische Kommission (de facto aber direkt an die EFSA) gesandt.

Ist bei der Beantragung kein Bericht erstattender Mitgliedsstaat bekannt (recherchierbar in der EU Pesticides Database der Europäischen Kommission), wird der Importtoleranzantrag bei der Europäischen Kommission gestellt (SANTE-MRLs-applications@ec.europa.eu).

Die EFSA versendet eine Eingangsbestätigung an Antragsteller, Europäische Kommission und den bewertenden Mitgliedsstaat. Es wird spätestens nach drei Monaten ab Antragseingang eine begründete Stellungnahme insbesondere zu den Risiken für den Verbraucher und gegebenenfalls für Tiere veröffentlicht, die im Wesentlichen die folgenden Punkte enthält:

  • eine Beurteilung der Frage, ob die im Antrag für die routinemäßige Überwachung vorgeschlagene Analysemethode für die beabsichtigten Kontrollzwecke geeignet ist,
  • die voraussichtliche Bestimmungsgrenze für die Kombination Wirkstoff/Erzeugnis,
  • eine Bewertung des Risikos, dass die vertretbare Tagesdosis oder die akute Referenz-dosis infolge der Änderung des Rückstandshöchstgehalts überschritten wird; die Angabe des Anteils an der Aufnahme des Erzeugnisses, für das der Rückstandshöchstgehalt beantragt wird und
  • weitere Angaben, die für die Risikobewertung relevant sind.

Die Kommission muss spätestens drei Monate nach Vorlage der Stellungnahme einen Verordnungsentwurf vorlegen. Auch an dieser Stelle ist die Nachforderung von Unterlagen möglich; neue Unterlagen sind der EFSA und dem bewertenden Mitgliedsstaat zugänglich zu machen. Bei Widerruf der Zulassung können Höchstmengen ohne Beteiligung der EFSA geändert (gesenkt) werden.

Kontrollprogramme auf Einhaltung der Höchstgehalte

Die Kontrolle auf die Einhaltung festgesetzter Höchstgehalte ist weiterhin in zwei Schritten vorgesehen. Zum einen sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, die Einhaltung der Verordnung (EG) Nr. 396/2005 durch repräsentative Stichprobenuntersuchungen zu gewährleisten. Dabei sind an die Analysenmethoden die Kriterien der gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen über die amtliche Lebensmittel- und Futtermittelkontrolle anzulegen. Die an den Kontrollmaßnahmen teilnehmenden Laboratorien werden verpflichtet, an Eignungsprüfungen teilzunehmen, die von der Kommission durchgeführt werden.

Zum anderen wird das bisher schon praktizierte koordinierte Überwachungsprogramm (KÜP) der Kommission als mehrjähriges Programm fortgesetzt. Ziel dieses Programms ist es, die Verbraucherexposition und die Anwendung der geltenden Rechtsvorschriften bewerten zu können. Daneben sollen auch die Mitgliedsstaaten entsprechende mehrjährige Programme auflegen. Der Jahresbericht zum koordinierten Überwachungsprogramm wird von der EFSA veröffentlicht.

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