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Antibiotikaresistenzen

Die Entstehung und Verbreitung von Antibiotikaresistenzen wird bei jeder Anwendung eines Antibiotikums gefördert. Wirkstoffe mit kritischer Bedeutung für den Menschen, also solche, die eine der letzten verbleibenden Behandlungsoptionen bei schwerwiegenden bakteriellen Infektionskrankheiten des Menschen darstellen können, müssen besonders vor einer weiteren Resistenzentwicklung und –ausbreitung geschützt werden.

Wir stellen Ihnen auf diesen Seiten Informationen zum Thema „Antibiotikaresistenzen“ zur Verfügung. Basierend auf Unterschieden in der Therapie mit Antibiotika und im Risiko einer Übertragung von Resistenzen auf den Menschen, behandeln wir die Problematik separat für Klein- und Hobbytiere sowie für Lebensmittel liefernde Tiere. Da sowohl Antibiotikaresistenzgene der Bakterien, als auch Rückstände der im oder am Tier angewendeten Antibiotika in die Umwelt gelangen, thematisieren wir zudem das Auftreten und die Verbreitung von Antibiotikareisstenzen in der Umwelt. Schließlich möchten wir Ihnen die Programme und Maßnahmen zur Begrenzung von Antibiotikaresistenzen im Bereich der Tiergesundheit vorstellen, für die wir im BVL verantwortlich oder an denen wir maßgeblich beteiligt sind.

Die Entdeckung der Antibiotika - und die der Antibiotikaresistenzen

Sir Alexander Fleming entdeckte im Jahre 1928, dass Schimmelpilze der Gattung Penicillium Bakterien abtöten. Diese Entdeckung war die Grundlage für die spätere Verwendung des Wirkstoffes Penicillin zur Therapie bakterieller Infektionskrankheiten. Es war ebenfalls Sir Alexander Fleming, der bereits im Jahre 1945, anlässlich der Verleihung des Nobelpreises an ihn, Howard Florey und Ernst Chain, vor einer Entstehung von Antibiotikaresistenzen warnte. Er hatte an seinen Bakterienkulturen beobachten können, dass diese in Gegenwart niedriger Penicillin-Konzentrationen resistent wurden und war überzeugt, dass dies auch im Menschen bei einer Unterdosierung des Penicillins geschehen würde.

Medizinisch waren Antibiotikaresistenzen zunächst von geringer Bedeutung. Das vermehrte Auftreten von Therapieversagen aufgrund der mangelnden Wirksamkeit von Antibiotika wurde durch die fortwährende Entwicklung neuer antibakteriell wirksamer Substanzen mit neuen Wirkmechanismen umgangen. Ab Mitte der 80er Jahre waren die Markteinführungen neuer Wirkstoffklassen allerdings stark rückläufig. Entsprechend thematisierten immer mehr Wissenschaftler die aufkommende Resistenzproblematik und warnten vor ihrer weiteren Ausbreitung. Im Jahr 2005 wurden mit den Glycylcyclinen und den zyklischen Lipopeptiden die bisher letzten Wirkstoffklassen neu auf den Markt eingeführt. Die Zulassungen der entsprechenden Wirkstoffe beschränken sich auf die Humanmedizin.

Als Gründe für die Reduktion der Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten der pharmazeutischen Industrie im Bereich neuer Antibiotika sind hohe Kosten und zu erwartende Beschränkungen für den Einsatz neuer Wirkstoffe anzuführen. Befürworter der Entwicklung neuer Wirkstoffe gehen davon aus, dass die Resistenzproblematik dadurch zumindest zeitweise umgangen werden kann. Sollte eine neue Wirkstoffklasse eingeführt werden, so ist anzunehmen, dass sie der Humanmedizin vorbehalten sein wird. Für die Tiermedizin bedeutet dies, dass wir die Wirkstoffe und Wirkstoffklassen, die uns heute zur Verfügung stehen, gezielt und effizient einsetzen müssen. Tun wir dies nicht, können wir die weitere Entstehung und Ausbreitung von Antibiotikaresistenzen nicht begrenzen und steuern möglicherweise auf eine postantibiotische Ära zu. Dies würde bedeuten, dass selbst banale bakterielle Infektionskrankheiten nicht mehr zu therapieren sind.

Der umsichtige Einsatz von Antibiotika

Das Konzept des umsichtigen Antibiotikaeinsatzes („prudent use concept“) beschreibt die Berücksichtigung potenzieller negativer Effekte durch die Anwendung von Antibiotika, die sich im Bereich der Tiermedizin auf das zu behandelnde Tier, auf andere Tiere, auf die Gesellschaft und auf die Umwelt beziehen. Sie sollten bei jeder Therapieentscheidung gegen den anzunehmenden individuellen Behandlungserfolg abgewogen werden. Die Entstehung und Verbreitung von Antibiotikaresistenzen wird bei jeder Anwendung eines Antibiotikums gefördert, da ein Antibiotikum immer einen Selektionsdruck ausübt. Entwickeln sich während einer Therapie Antibiotikaresistenzen in den Kommensalen, bleibt dies zunächst scheinbar ohne Effekt auf den Wirt. Werden jedoch Virulenzfaktoren hinzugewonnen und/oder Resistenzgene über mobile genetische Elemente auf pathogene Bakterien übertragen, können die Auswirkungen gravierend sein. Um solche unerwünschten Auswirkungen einer Therapie mit Antibiotika, die in gewissem Maße unumgänglich sind, weitestgehend zu begrenzen, dürfen Antibiotika prinzipiell nur dann eingesetzt werden, wenn dies medizinisch indiziert und ein Therapieerfolg anzunehmen ist. Um den Selektionsdruck auf Kommensale gering zu halten, ist nach Möglichkeit ein Antibiotikum mit einem möglichst schmalen Wirkspektrum zu verwenden.

Bereits im Jahr 2000 wurden von der Bundestierärztekammer (BTK) die „Leitlinien für den sorgfältigen Umgang mit antibakteriell wirksamen Tierarzneimitteln“ (Antibiotika-Leitlinien) herausgegeben, die das tierärztliche Vorgehen bei einem umsichtigen Einsatz von Antibiotika erläutern. Um den aktuellen Stand der Wissenschaft widerzuspiegeln, erfolgten Überarbeitungen der Leitlinien, die auch in Zukunft fortgeführt werden sollen. Arbeiten Sie in Ihrer Praxis oder Klinik nach den Regeln der „Guten Veterinärmedizinischen Praxis“ (GVP), sind die Antibiotika-Leitlinien bei jedem Einsatz von Antibiotika zu berücksichtigen. Die gesetzlichen Neuerungen zur Begrenzung von Antibiotikaresistenzen, die am 01.03.2018 durch die „Zweite Verordnung zur Änderung der Verordnung über tierärztlichen Hausapotheken (TÄHAV)“ in Kraft getreten sind, basieren auf den Antibiotika-Leitlinien und sind rechtlich bindend. Weitere Regelungen zur Begrenzung von Antibiotikaresistenzen wird es durch die neue EU-Verordnung über Tierarzneimittel (Verordnung (EU) 2019/6) geben, die am 27.01.2019 in Kraft getreten ist und ab dem 28.01.2022 anzuwenden sein wird. Wichtige Änderungen, die die tierärztliche Praxis betreffen, sind für Sie in der folgenden Übersicht dargestellt:

Das Bild zeigt eine Grafik zu den Veränderungen der EU-Tierarzneimittel-Verordnung Änderungen EU-TAM-Verordnung Wichtige Änderungen zum Einsatz von Antibiotika durch die EU-Tierarzneimittel-Verordnung (VO (EU) 2019/6). Quelle: Wiese / BVL

Antibiotika mit kritischer Bedeutung für den Menschen

Antibiotika mit kritischer Bedeutung für den Menschen, also solche, die eine der letzten verbleibenden Behandlungsoptionen bei schwerwiegenden bakteriellen Infektionskrankheiten des Menschen darstellen können, müssen besonders vor einer weiteren Resistenzentwicklung und –ausbreitung geschützt werden. Dies kann nur funktionieren, indem der Einsatz dieser Wirkstoffe stark eingeschränkt wird, gerade auch im Bereich der Tiermedizin. Mensch und Tier stehen direkt oder indirekt über die Umwelt in Kontakt miteinander. Die Verbreitung von Resistenzen in der Human- und in der Tiermedizin lässt sich daher nur begrenzen, wenn nicht fortwährend Resistenzen aus den anderen Bereichen neu eingetragen und neue Resistenzen selektiert werden.

Grundlage für besonders zu schützende Wirkstoffe ist die Einstufung der Weltgesundheitsorganisation (WHO), die alle verfügbaren Wirkstoffklassen anhand ihrer Bedeutung für die Humanmedizin priorisiert. Den so genannten „Highest Priority Critically Important Antimicrobials (HPCIAs)“ wird die größte Wichtigkeit für die Behandlung schwerwiegender bakterieller Infektionskrankheiten des Menschen zugemessen. Zurzeit sind die folgenden Wirkstoffklassen, die in Deutschland auch für die Tiermedizin zugelassen sind, entsprechend priorisiert und sollten daher nur stark restriktiv beim Tier eingesetzt werden:

  • Cephalosporine der 3. und 4. Generation
  • Fluorchinolone
  • Makrolide
  • Polymyxine (Untergruppe der Polypeptide, insbesondere der Wirkstoff Colistin)

Mit der neuen Europäischen Verordnung über Tierarzneimittel (VO (EU) 2019/6) wurde die rechtliche Grundlage geschaffen, künftig Wirkstoffe allein der Humanmedizin vorzubehalten (Artikel 37). Nach welchen Kriterien Wirkstoffe entsprechend eingestuft und welche dann als der Humanmedizin vorbehalten gelistet werden, wird derzeit in weiterführenden Rechtsakten erarbeitet. Weitere Informationen dazu erhalten Sie unter dem Punkt „Erwägungsgrund Antibiotikaresistenzen“ unseres Webseitenbereichs zur Europäischen Verordnung über Tierarzneimittel.