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Klinische Wirksamkeit und Verträglichkeit

Tierarzneimittel sind Stoffe oder Stoffzusammenstellungen, die zur Anwendung im oder am tierischen Körper bestimmt sind oder einem Tier verabreicht werden, um Krankheiten von Tieren zu heilen oder zu verhüten. Darüber hinaus fallen auch Mittel, die im oder am tierischen Körper angewendet werden oder einem Tier verabreicht werden, um physiologische Funktionen durch eine pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkung wiederherzustellen, zu korrigieren oder zu beeinflussen, oder um eine medizinische Diagnose zu erstellen, oder zur Euthanasie von Tieren unter den Tierarzneimittelbegriff. Diese Definition entstammt der Verordnung (EU) 2019/6 (Artikel 4), die als einheitliche gesetzliche Grundlage europaweit das Inverkehrbringen, die Herstellung, die Einfuhr und Ausfuhr, die Abgabe, den Vertrieb, die Pharmakovigilanz sowie die Kontrolle und Verwendung von Tierarzneimitteln regelt. 

Im Rahmen der Zulassung prüft das BVL, basierend auf den vom Antragsteller eingereichten Unterlagen, die klinische Wirksamkeit und Verträglichkeit des betreffenden Tierarzneimittels. Der Begriff der Wirksamkeit bezieht sich dabei auf das vom Antragsteller ausgelobte Anwendungsgebiet (Indikation) für die jeweilige Zieltierart, welches unter Berücksichtigung der vorgeschlagenen Dosierung und Anwendungsdauer sowie des vorgeschlagenen Verabreichungsweges nachgewiesen sein muss. Daneben ist unter dem Begriff der Verträglichkeit die Sicherheit des Tierarzneimittels für die beantragte Zieltierart zu verstehen.

Die Anforderungen an die Nachweise der klinischen Wirksamkeit und Zieltierverträglichkeit sind im Anhang II der Tierarzneimittelverordnung 2019/6/EU  gesetzlich verankert und gelten daher einheitlich für europäische Mitgliedstaaten. Sie werden durch europäische und international geltende wissenschaftliche Leitlinien ergänzt, die allgemeine und spezifische Angaben zur vorklinischen und klinischen Prüfung bestimmter Stoff- oder Indikationsgruppen enthalten (zum Beispiel für Antibiotika oder Antiparasitika). Dadurch soll erreicht werden, dass pharmazeutische Unternehmer Studien nach dem jeweils gültigen wissenschaftlichen Standard durchführen und diese von den jeweiligen zuständigen nationalen Zulassungsbehörden nach denselben Kriterien beurteilt und anerkannt werden.

Nachweise zur Wirksamkeit und Verträglichkeit umfassen vorklinische Unterlagen zur Pharmakologie, Zieltierverträglichkeit, Dosisermittlung und –bestätigung sowie ggf. zur Resistenz und die Durchführung von klinischen Prüfungen. Bei der klinischen Prüfung handelt es sich um kontrollierte Studien unter Feldbedingungen, die das Ziel haben, die Verträglichkeit und die Wirksamkeit eines Tierarzneimittels in der Zieltierart unter normalen Bedingungen der Tierhaltung und/oder im Rahmen einer normalen tierärztlichen Praxis zu untersuchen. Sie dienen vor allem dazu, die Wirksamkeit und Verträglichkeit des zu prüfenden Tierarzneimittels für das beanspruchte Anwendungsgebiet in der empfohlenen Dosierung an einer größeren Zieltierpopulation unter praktischen Anwendungsbedingungen zu bestätigen. Die vom Antragsteller eingereichten Unterlagen zur Wirksamkeit und Zieltierverträglichkeit sind im Rahmen eines kritischen Expertenberichts gemäß dem Anhang I der Verordnung 2019/6/EU in der jeweils geltenden Fassung zusammenzufassen und gutachterlich zu bewerten.

Für Tierarzneimittel, für die eine Zulassung beantragt wird und die einen Wirkstoff enthalten, dessen tiermedizinische Anwendung in der Union gemäß Artikel 22 der Verordnung 2019/6/EU seit mindestens 10 Jahren als etabliert gilt und welcher eine anerkannte Wirksamkeit sowie einen annehmbaren Grad an Unbedenklichkeit aufweist, können die erforderlichen Nachweise der Wirksamkeit und Zieltierverträglichkeit durch eine detaillierte wissenschaftliche Bibliografie zusammen mit Informationen, die die Verbindung zwischen bibliografischen Referenzen und dem Tierarzneimittel angemessen belegen, erbracht werden. Die vorgelegten bibliografischen Daten müssen ggf. durch produktspezifische Unterlagen ergänzt werden, z. B. Bewertungen der Anwendersicherheit und Umweltverträglichkeitsprüfungen oder Daten aus Rückstandsversuchen, um die vorgeschlagene(n) Wartezeit(en) zu begründen.

Bei Anträgen von generischen Tierarzneimitteln mit Bezug auf ein Referenzpräparat, für das der in den Artikeln 39 und 40 der Verordnung 2019/6/EU festgelegte Schutzzeitraum für die technischen Unterlagen abgelaufen ist oder in weniger als zwei Jahren ablaufen wird, können die o.g. Anforderungen an die vorklinischen und klinischen Nachweise entfallen, wenn das generische Tierarzneimittel dieselbe qualitative und quantitative Wirkstoffzusammensetzung und dieselbe Darreichungsform aufweist wie das Referenztierarzneimittel sowie die Bioäquivalenz mit dem Referenztierarzneimittel belegt wird. Vor Vermarktung des Generikums ist i.d.R. eine Frist von 10 Jahren nach Zulassung des Referenztierarzneimittels einzuhalten. Diese Frist verlängert sich auf 14 Jahre, wenn es sich bei dem Referenztierarzneimittel um ein Tierarzneimittel handelt, welches einen antimikrobiellen Wirkstoff enthält, der zum Zeitpunkt der Zulassung nicht als Wirkstoff eines in der Union zugelassenen Tierarzneimitteln enthalten war. Außerdem verlängert sich die Frist auf 14 Jahre bei Referenztierarzneimitteln, die für andere Zieltierarten als Rind, Schaf (zur Fleischerzeugung), Schwein, Huhn, Hund oder Katze zugelassen sind. Eine Besonderheit stellen Tierarzneimittel für Bienen dar. Für diese Tierarzneimittel beträgt die Schutzfrist 18 Jahre.

Bei Anträgen von hybriden Tierarzneimitteln hingegen werden die Ergebnisse geeigneter vorklinischer Studien oder klinischer Prüfungen verlangt, wenn nicht alle Merkmale eines generischen Tierarzneimittels erfüllt werden; wenn also beispielsweise der Wirkstoff, die Stärke, Darreichungsform oder der Verabreichungsweg gegenüber dem Referenztierarzneimittel geändert oder Bioverfügbarkeitsstudien nicht zum Nachweis der Bioäquivalenz herangezogen werden.

Eine Zulassung kann bei Fehlen umfassender Daten zur Zieltierverträglichkeit und/oder Wirksamkeit für einen begrenzten Markt erteilt werden, wenn der Antragsteller gemäß Artikel 23 der Verordnung 2019/6/EU nachweist, dass das Tierarzneimittel für die Verwendung in einem begrenzten Markt bestimmt ist und dass der Nutzen der Verfügbarkeit des Tierarzneimittels das Risiko überwiegt, das mit dem Fehlen von vorgeschriebenen Daten zur Verträglichkeit oder Wirksamkeit verbunden ist. Die Zulassung für einen begrenzten Markt ist fünf Jahre lang gültig. Dann erfolgt eine erneute Prüfung und Bewertung durch die Zulassungsbehörde.

Die Nachweise der Wirksamkeit und Zieltierverträglichkeit für das zuzulassende Tierarzneimittel münden in einer Gesamtbewertung in Form einer Nutzen-Risiko-Analyse. Eine Zulassung wird dann erteilt, wenn der Nutzen gegenüber den mit der Anwendung verbundenen potenziellen Risiken im Hinblick auf die Zieltierverträglichkeit, die Gesundheit des Menschen (als Anwender und als Verbraucher von Lebensmitteln, die von behandelten Tieren stammen) und für die Umwelt überwiegt. Zudem werden in der Fach- und Gebrauchsinformation alle notwendigen Angaben gemacht, die zu einer sicheren und wirksamen Anwendung des Tierarzneimittels beitragen.

Homöopathische Tierarzneimittel (einschließlich solcher für Lebensmittel liefernde Tiere) können anhand eines vereinfachten Verfahrens registriert werden, sofern sie die Kriterien gemäß Artikel 86 der Verordnung 2019/6/EU erfüllen.