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Anwendungsbestimmungen im Gesundheitsschutz

Bei der Zulassung von Pflanzenschutzmitteln kann es erforderlich werden, mit dem Zulassungsbescheid zusätzliche Auflagen zu erteilen, die die Sicherheit der Anwendung eines Pflanzenschutzmittels gewährleisten. Im Sektor Naturhaushalt ist es übliche Praxis, bestimmte, risikobasiert vergebene Nebenbestimmungen als Anwendungsbestimmungen zu regeln. Diese grundlegende Systematik wurde nach einem Abstimmungsprozess mit dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft sowie den zuständigen Bundes- und Landesbehörden für Vorschriften im Bereich Gesundheitsschutz übernommen. Die neue Regelung dient insofern der Vereinheitlichung der Regelungsbereiche.

Mit einer Fachmeldung vom 15. März 2018 hat das BVL über „Neue Anwendungsbestimmungen im Gesundheitsschutz“ informiert. Die Änderungen betreffen Vorschriften zum Gesundheitsschutz von Anwendern, Arbeitern und unbeteiligten Dritten (Anwohner, Umstehende und Verbraucher).

Hier beantwortet das BVL Fragen, die sich bei der praktischen Umsetzung dieser neuen Regelungen ergeben.

Warum gibt es die neuen Anwendungsbestimmungen im Gesundheitsschutz?

Die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln kann mit Risiken für die Gesundheit von verschiedenen Personenkreisen verbunden sein. Betroffen sein können Anwender, unbeteiligte Dritte und Personen, die Nachfolgearbeiten in behandelten Kulturen ausführen. Nachfolgearbeiten sind Tätigkeiten, für die eine behandelte Fläche betreten werden muss, um manuelle Arbeiten an der Kultur durchzuführen. Dazu gehören zum Beispiel Inspektionen (Bestandskontrollen), Bewässerungen, Bestandspflege und Ernte.

Zur Begrenzung solcher Risiken sieht das Pflanzenschutzgesetz vor, dass Maßnahmen zur Risikominderung mit der Zulassung des Pflanzenschutzmittels festgesetzt werden können. In vielen Fällen wird nur durch diese Maßnahmen eine Zulassung überhaupt möglich. In Deutschland stehen bei der Zulassung von Pflanzenschutzmitteln zwei Möglichkeiten zur Verfügung, um Maßnahmen zur Risikominimierung vorzuschreiben. Es können Kennzeichnungsauflagen oder Anwendungsbestimmungen erteilt werden. Beide Varianten sind verbindlich einzuhalten und müssen mit der Gebrauchsanleitung an die Nutzer von Pflanzenschutzmitteln weitergegeben werden. Sowohl Kennzeichnungsauflagen als auch Anwendungsbestimmungen müssen befolgt werden, um schädliche Auswirkungen auf die Gesundheit von Mensch und Tier zu vermeiden. Der wesentliche Unterschied zwischen beiden besteht darin, dass Anwendungsbestimmungen bußgeldbewehrt sind.

In der Vergangenheit wurden Anwendungsbestimmungen hauptsächlich zur Verringerung von Risiken im Naturhaushalt eingesetzt. Ein Beispiel hierfür stellen die Abstandsregelungen zum Schutz von Gewässern dar. Zwischen dem Schutz des Naturhaushalts und dem Gesundheitsschutz besteht jedoch im Hinblick auf die Ableitung von Maßnahmen zur Risikominimierung grundsätzlich kein Unterschied. Daher wurde 2018 eine Vereinheitlichung der Regelungen beim Naturhaushalt und bei der Gesundheit herbeigeführt. Zukünftig werden in beiden Bereichen Anwendungsbestimmungen erteilt, wenn Maßnahmen zur Risikominderung notwendig sind.

Nach welchen Regeln werden Anwendungsbestimmungen festgelegt?

Bei der Zulassung werden Pflanzenschutzmittel umfassend geprüft und bewertet. Um die Gesundheit zu schützen, werden alle möglichen Aufnahmepfade in den menschlichen Körper betrachtet.

Zum Schutz von Verbrauchern werden die Rückstände von Pflanzenschutzmitteln in behandelten Erzeugnissen betrachtet. Diese können beim Verzehr über die Nahrung in den Körper aufgenommen werden (orale Exposition). Die aufgenommene Dosis und damit mögliche schädliche Auswirkungen auf die Gesundheit richten sich dabei nach der Höhe der Rückstände im Erzeugnis und der verzehrten Menge. Über geeignete Rechenmodelle lässt sich die aufgenommene Menge abschätzen. Nur wenn die lebenslange akzeptable tägliche Aufnahmemenge (ADI) und die akute Referenzdosis (ARfD) nicht überschritten werden, kann eine Anwendung des Pflanzenschutzmittels für die betrachtete Kultur zugelassen werden.

Für Anwender von Pflanzenschutzmitteln und Personen, die Nachfolgearbeiten in behandelten Kulturen durchführen, kann eine Aufnahme von Pflanzenschutzmitteln in den Körper über die Haut (dermal) oder über die Lungen bei der Atmung (inhalativ) erfolgen. Über Berechnungsmodelle wird abgeschätzt, wie hoch die Belastung von Anwendern bei bestimmten Arbeiten (Befüllen der Spritze, Anwendung, Spritzenreinigung, usw.) ist. Diese europaweit harmonisierten Modelle basieren auf realen Messungen, bei denen die Versuchspersonen Pflanzenschutzmittel unter Praxisbedingungen anwendeten (EFSA Leitlinie, 2014). Diese Werte werden mit einem toxikologischen Grenzwert, der annehmbaren Anwenderexposition (AOEL), verglichen.

Bei Verbrauchern einerseits und Anwendern oder Personen bei Nachfolgearbeiten andererseits werden damit sowohl unterschiedliche Aufnahmepfade in den Körper als auch unterschiedliche toxikologische Grenzwerte verwendet. Daher können beide Bewertungskonzepte nicht direkt miteinander verglichen werden.

Ergibt die Bewertung, dass bei der Anwendung in einer bestimmten Kultur der Grenzwert für den Anwender und/oder Personen, die Nachfolgearbeiten ausführen, überschritten ist, bestehen im Zulassungsverfahren zwei Möglichkeiten:

A: Über Risikominderungsmaßnahmen lässt sich die Aufnahme und das Risiko so weit verringern, dass der Grenzwert im Bewertungsmodell unterschritten wird. Üblicherweise kommt hierfür Arbeitskleidung oder persönliche Schutzausrüstung zum Einsatz. Dabei werden gestuft nur so viele Risikominderungsmaßnahmen vorgesehen, wie mindestens notwendig sind, um den Grenzwert einzuhalten.

B: Wenn keine ausreichenden oder geeigneten Risikominderungsmaßnahmen zur Verfügung stehen, kann keine Zulassung erfolgen.

Das bedeutet, dass persönliche Schutzausrüstung nur dann als Anwendungsbestimmung vorgeschrieben wird, wenn sie zum Schutz der Gesundheit notwendig ist. Ohne deren Verwendung kann eine Überschreitung des Grenzwertes und damit ein gesundheitliches Risiko nicht ausgeschlossen werden.

Welche persönliche Schutzausrüstung ist geeignet?

Die in den Anwendungsbestimmungen genannten Schutzmaßnahmen werden in der BVL-Richtlinie für die Anforderungen an die Persönliche Schutzausrüstung im Pflanzenschutz genauer definiert. Die Anforderungen an Arbeitskleidung, Schutzanzüge, Ärmelschürzen, Schutzhandschuhe, Atem-, Augen- und Kopfschutz, werden darin beschrieben.

Für zertifizierte Arbeitskleidung, Schutzanzüge und Handschuhe kann eine Kennzeichnung mit dem Piktogramm „Erlenmeyerkolben mit Blatt“ (Piktogramm 3126 aus der ISO 7000) erfolgen. Dies ist nur dann möglich, wenn das Produkt nach einer Norm zertifiziert wurde, die diese Piktogramm-Kennzeichnung explizit vorsieht. Dadurch wird die Schutzkleidung für Nutzer und Kontrolleure eindeutig identifizierbar. Da das Piktogramm jedoch nicht in allen relevanten Normen als Kennzeichnungsoption benannt wird, ist die Möglichkeit der Kennzeichnung von persönlicher Schutzausrüstung mit dem Piktogramm beschränkt. Auch Arbeits- oder Schutzkleidung, die der BVL-Richtlinie entspricht aber nicht mit dem Piktogramm gekennzeichnet ist, ist für den Einsatz im Pflanzenschutz geeignet.

Zur Erleichterung der Auswahl und Beschaffung von persönlicher Schutzausrüstung hat das BVL gemeinsam mit PSA-Herstellern, Verbänden und behördlichen Institutionen die Veröffentlichung einer Übersicht geeigneter Produkte abgestimmt. Die Liste wird regelmäßig aktualisiert. Die BVL PSA-Datensammlung ist in folgende Elemente untergliedert: Schutzanzüge (Mehrweg- / Einweg-), zertifizierte Arbeitskleidung, Ärmelschürzen, Handschuhe (Mehrweg- / Einweg-, teilbeschichtet). Zu den einzelnen Produkten finden sich neben der Bezeichnung und Beschreibung der Schutzausrüstung weitere Angaben zur Kennzeichnung sowie zum Hersteller und ggf. zu Bezugsquellen.

Weitere Informationen:

Welche Regelungen gibt es für den Schutz von Personen bei Nachfolgearbeiten?

Nachfolgearbeiten dürfen in behandelten Kulturen erst nach Abtrocknen des Spritzbelages erfolgen. Dabei kann es je nach Tätigkeit zu einem Kontakt mit den behandelten Pflanzen kommen. Je nach Höhe der verbliebenen Pflanzenschutzmittel-Rückstände und der Intensität des Kontaktes erfolgt ein Übergang von Rückständen auf den Körper der Personen.

Um diesen Übergang und die mögliche Aufnahme über die Haut in den Körper abzuschätzen, erfolgt eine Risikobewertung anhand der europaweit harmonisierten Modelle nach EFSA Leitlinie.

Überschreitet die mögliche Aufnahme in den Körper den toxikologischen Grenzwert (AOELannehmbare Anwenderexposition), werden Risikominderungsmaßnahmen festgelegt, um die Aufnahmedosis zu verringern.

Im ersten Schritt wird eine Körperbedeckung durch lange Arbeitskleidung und festes Schuhwerk vorgeschrieben. Sollte diese Risikominderungsmaßnahme nicht ausreichen, müssen zusätzlich geeignete Schutzhandschuhe getragen werden.

Sofern auch diese Kombination nicht genügend Schutz bietet, um den Grenzwert einzuhalten, kann es erforderlich werden, die Tätigkeit in der behandelten Kultur für einen kurzen Zeitraum auf maximal 2 Stunden pro Tag zu begrenzen.

Der Zeitraum, in dem diese Risikominderungsmaßnahmen zu erfolgen haben, wird dabei in Tagen oder mit Bezug zur Ernte festgelegt. Weitere Details zu diesen Regelungen hat das BVL im März 2018 mit einer Fachmeldung veröffentlicht.

Früher erteilte Kennzeichnungsauflagen, die das Tragen eines Schutzanzuges vorschreiben, werden nicht systematisch neu bewertet. Solche Auflagen können daher noch in bestehenden Zulassungen enthalten sein.

Welche Regelungen gibt es für den Schutz von Anwohnern und Spaziergängern?

Anwohner und Spaziergänger können während oder nach der Anwendung ebenfalls z. B. durch Abdrift oder Verflüchtigung von Pflanzenschutzmitteln betroffen sein. Auch für diese Personen (Erwachsene und Kinder) erfolgt eine Risikobewertung nach der EFSA Leitlinie 2014. Es wird davon ausgegangen, dass diese Personen über Pflanzenschutzmaßnahmen nicht informiert sind und deshalb durch ihr Verhalten keinen Einfluss auf eine mögliche Belastung haben. Überschreitet die mögliche Aufnahme in den Körper den toxikologischen Grenzwert, werden daher Risikominderungsmaßnahmen festgelegt, die vom Anwender einzuhalten sind, um die Aufnahmedosis für unbeteiligte Dritte zu verringern. Das Risiko kann z. B. gesenkt werden, indem Technik zum Einsatz kommt, welche die Abdrift bei der Anwendung des Pflanzenschutzmittels vermindert.

Welche Auswirkungen kann es haben, wenn Anwendungsbestimmungen nicht befolgt werden?

Anwendungen, bei denen die vorgeschriebenen Anwendungsbestimmungen nicht beachtet werden, gefährden die Gesundheit und sind unzulässig!

Die Nichtbeachtung kann im Ermessen der zuständigen Kontrollbehörden der Bundesländer in ein Ordnungswidrigkeitsverfahren mit Erteilung eines Bußgeldes münden.

Darüber hinaus kann ein Verstoß gegen Anwendungsbestimmungen zu Kürzungen der Direktzahlung und weiteren Folgen führen (siehe CC-Broschüren der Bundesländer).

Gibt es Übergangsregelungen?

Im Zuge der Einführung der Anwendungsbestimmungen im Gesundheitsschutz hat sich gezeigt, dass persönliche Schutzausrüstung für den Pflanzenschutz nur eingeschränkt im Handel verfügbar ist. Dadurch ist die Einhaltbarkeit von Auflagen, die den Einsatz von persönlicher Schutzausrüstung vorschreiben, erschwert. Das BVL arbeitet gegenwärtig mit Herstellern von Schutzausrüstung daran, die Verfügbarkeit zu verbessern.

Um diesen Übergang für alle Beteiligten sinnvoll und vertretbar zu gestalten, haben sich die für Kontrollen zuständigen Behörden in den Ländern abgestimmt, die Anwender zunächst intensiv zu informieren und zu beraten. Kontrollen werden mit Augenmaß durchgeführt und Verstöße im Ermessen der zuständigen Überwachungsbehörden geahndet.

Wo findet man aktuelle Informationen zu geltenden Auflagen und Anwendungsbestimmungen?

Das BVL bietet im Internet ein Verzeichnis zugelassener Pflanzenschutzmittel an. Diese Datenbank wird monatlich aktualisiert und enthält Informationen zu allen mit der Zulassung festgelegten Anwendungsbestimmungen und Kennzeichnungsauflagen.

Die Informationen auf dem Etikett eines Pflanzenschutzmittels oder in der Gebrauchsanleitung können veraltet sein. Um sicher zu stellen, dass die aktuell geltenden Vorschriften beachtet werden, wird die Nutzung dieses Informationsangebotes des BVL dringend empfohlen.

Alternativ kann der Hersteller des Pflanzenschutzmittels kontaktiert werden, um Informationen zu den aktuellen Regelungen zu erhalten.