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Rechtliche Grundlagen und Hintergrundinformationen

Was ist bei einem Inverkehrbringen von Produkten, die andere Stoffe als Vitamine oder Mineralstoffe mit ernährungsspezifischer oder physiologischer Wirkung („andere Stoffe“) oder Zubereitungen daraus enthalten, zu beachten?

Keine spezifischen Regelungen zu „anderen Stoffen“ mit ernährungsspezifischer und physiologischer Wirkung

Die Nahrungsergänzungsmittel-Verordnung (NemV), die Verordnung (EU) Nr. 609/2013 (VO über Lebensmittel für bestimmte Verbrauchergruppen) und die Verordnung (EG) Nr. 1925/2006 (Anreicherungs-VO) beinhalten lediglich spezifische Regelungen zur Zulässigkeit der Verwendung von Vitaminen und Mineralstoffen. Die zulässigen Verbindungen werden genannt, Regelungen für Höchstmengen stehen aber noch aus. Spezifische Regelungen für „andere Stoffe“ als Vitamine oder Mineralstoffe mit ernährungsspezifischer oder physiologischer Wirkung wie beispielsweise Pflanzen, Pilze oder Algen fehlen bis auf wenige Ausnahmen. Für sie gelten jedoch in jedem Falle die abstrakten Regelungen des Lebensmittelrechts. Danach müssen sie die den Anforderungen der Definition für Lebensmittel entsprechen und sie dürfen nicht unsicher sein.

Grundsätzlich muss ein Lebensmittelunternehmer im Rahmen seiner Sorgfaltspflicht sicherstellen, dass ein Lebensmittel, welches er in den Verkehr bringt, den allgemeinen lebensmittelrechtlichen Vorschriften entspricht. Dies gilt neben der Kennzeichnung eines Produktes auch für die darin enthaltenen Stoffe.

Im Folgenden sind die wichtigsten Vorschriften genannt, die für das Inverkehrbringen von „anderen Stoffen“ als Vitamine oder Mineralstoffe mit ernährungsspezifischer oder physiologischer Wirkung relevant sind:

Definition von Lebensmitteln

Die Verordnung (EG) Nr. 178/2002 (Lebensmittel-Basisverordnung) regelt, was ein Lebensmittel ist.

Gemäß Artikel 2 dieser Verordnung sind Lebensmittel alle Stoffe oder Erzeugnisse, die dazu bestimmt sind oder von denen nach vernünftigem Ermessen erwartet werden kann, dass sie in verarbeitetem, teilweise verarbeitetem oder unverarbeitetem Zustand von Menschen aufgenommen werden. Auch Nahrungsergänzungsmittel sind Lebensmittel.

Doch es gibt auch Stoffe oder Produkte, die explizit nicht zu den Lebensmitteln gehören. Dazu zählen unter anderem Arzneimittel, Betäubungsmittel und psychotrope Stoffe.

Arzneimittel sind keine Lebensmittel

Aufgrund des wechselseitigen Ausschlusses in den Legaldefinitionen kann ein Produkt nur Lebensmittel oder Arzneimittel sein. Dennoch ist es grundsätzlich möglich, dass die Verwendung eines Stoffes sowohl in Arzneimitteln als auch in Lebensmitteln zulässig ist.

Als Arzneimittel gelten nach § 2 Arzneimittelgesetz (AMG) Stoffe oder Zubereitungen aus Stoffen,

  1. die zur Anwendung im oder am menschlichen Körper bestimmt sind und als Mittel mit Eigenschaften zur Heilung oder Linderung oder zur Verhütung menschlicher Krankheiten oder krankhafter Beschwerden bestimmt sind (sogenannte Präsentationsarzneimittel) oder
  2. die im oder am menschlichen Körper angewendet oder einem Menschen verabreicht werden können, um entweder

    a. die physiologischen Funktionen durch eine pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkung wiederherzustellen, zu korrigieren oder zu beeinflussen (sogenannte Funktionsarzneimittel) oder
    b. eine medizinische Diagnose zu erstellen.

Präsentationsarzneimittel

Somit ist für die Abgrenzung zum einen die Zweckbestimmung des Erzeugnisses ein maßgebliches Kriterium. Während Arzneimittel der Heilung, Linderung oder Verhütung von Krankheiten dienen (Präsentationsarzneimittel), sollen Nahrungsergänzungsmittel lediglich die Ernährung von Verbrauchern ergänzen. Hierfür ist die überwiegende objektive Zweckbestimmung maßgeblich, d. h. so wie sich das Produkt für einen durchschnittlich informierten, aufmerksamen verständigen Verbraucher darstellt. D. h. es ist zu entscheiden, ob es objektiv überwiegend für arzneispezifische Zwecke (therapeutisch, prophylaktisch etc.) oder für lebensmittelspezifische Zwecke (Ergänzung bzw. Teil der allgemeinen Ernährung) bestimmt ist. Hierfür sind die Verwendungshinweise auf der Verpackung, im Beipackzettel und die Aussagen aus der Werbung für das Produkt mit heranzuziehen.

Funktionsarzneimittel

Eine Einstufung als Funktionsarzneimittel kann nach § 2 Absatz 1 Nr. 2a) AMG dann erfolgen, wenn eine pharmakologische, metabolische oder immunologische Wirkung belastbar wissenschaftlich bejaht werden kann. Ausschlaggebend ist bei der Auslegung der pharmakologischen Wirkung insbesondere, dass sich diese nennenswert auf den Stoffwechsel auswirken und somit dessen Funktionsbedingungen (…) wirklich beeinflussen. Als belastbare Belege einer pharmakologischen Wirkung können gerichtlich anerkannte Quellen wie Monographien des ehemaligen Bundesgesundheitsamtes (Kommission E), der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA, HMPC), der European Scientific Cooperative on Phytotherapy (ESCOP) oder der Weltgesundheitsorganisation (WHO) herangezogen werden. Zusätzlich kann eine Einstufung eines Stoffes als Arzneistoff erfolgen, sofern Bescheide gemäß § 21 Absatz 4 AMG oder Gerichtsurteile vorliegen oder es sich bei dem Stoff um den Wirkstoff eines zugelassenen Arzneimittels handelt, da in diesem Fall im Rahmen der Zulassung bereits ein Wirksamkeitsbeleg erbracht wurde, dem ebenfalls eine therapeutische Wirkung zugrunde liegt. Darüber hinaus können weitere Belege wie z. B. Ergebnisse klinischer Studien oder die Verschreibungs- und/oder Apothekenpflicht für eine Einstufung eines Stoffes als Arzneimittel relevant sein. Des Weiteren sind bereits zugelassene Arzneimittel, die einen entsprechenden Stoff enthalten, in die Überlegungen mit einzubeziehen. Für diese musste ebenfalls vor der Zulassung ein entsprechender Wirksamkeitsbeleg erbracht werden.

Ist beides nicht der Fall und das Produkt dient lediglich der Ergänzung der allgemeinen Ernährung, so handelt es sich um ein Nahrungsergänzungsmittel bzw. Lebensmittel. Hier finden Sie weitere Informationen zur Abgrenzung von Nahrungsergänzungsmitteln und Arzneimitteln: https://www.bvl.bund.de/SharedDocs/Flyer/nach_Themen/08_Flyer_Nem.html

Die Abgrenzung von Nahrungsergänzungsmitteln und Arzneimitteln ist noch nicht einheitlich in der EU geregelt. Danach ist das inländische Lebensmittelrecht anwendbar, solange keine anderen Bestimmungen getroffen werden. Unter Umständen fallen Produkte, die in anderen Ländern als Lebensmittel des allgemeinen Verzehrs bzw. Nahrungsergänzungsmittel gehandelt werden, hier unter die Bestimmungen für Arzneimittel. Deshalb ist zu beachten, dass die für die Herstellung des Nahrungsergänzungsmittels bzw. Lebensmittels des allgemeinen Verzehrs verwendeten Inhaltsstoffe nicht aufgrund ihrer pharmakologischen Wirkung oder ihrer Präsentation als Arzneimittel einzustufen sind. Dabei kann auch die Zweckbestimmung eine Rolle spielen.

Das Inverkehrbringen von Arzneimitteln ist in der Bundesrepublik Deutschland nur nach vorherigem Zulassungsverfahren gemäß § 21 des Arzneimittelgesetzes (AMG, https://www.gesetze-im-internet.de/amg_1976/__2.html) zulässig.

Über die Frage der Zulassungspflicht eines Präparates, mithin über die Einstufung als Lebensmittel oder Arzneimittel, entscheidet jedoch auch hier die zuständige Landesbehörde, in Zusammenarbeit mit dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM - www.bfarm.de).

Betäubungsmittel und psychotrope Stoffe

Gemäß Artikel 2 Absatz 2 Buchst. g) der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 (Basisverordnung) gehören Betäubungsmittel (BtM) und psychotrope Stoffe nicht zu den Lebensmitteln. Maßgeblich für eine derartige Einstufung sind das Einheits-Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Betäubungsmittel von 1961 das Einheits-Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Betäubungsmittel von 1961 sowie das Übereinkommens der Vereinten Nationen über psychotrope Stoffe von 1971, welche die Grundlagen für das in der Bundesrepublik Deutschland geltende Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln (BtMG) sind.

BtM im Sinne des BtMG sind die in den Anlagen I bis III zum BtMG aufgeführten Stoffe sowie Stoffgruppen und Zubereitungen. Ein Stoff oder eine Zubereitung wird in die Anlagen aufgenommen, wenn dies nach wissenschaftlicher Erkenntnis wegen der Wirkungsweise vor allem im Hinblick auf das Hervorrufen einer Abhängigkeit erforderlich ist. Auch das Ausmaß der missbräuchlichen Verwendung, die unmittelbare oder mittelbare Gefährdung der Gesundheit oder die Möglichkeit, daraus BtM herzustellen, kann zur Aufnahme eines Stoffes in die Anlagen führen. Stoffe und Zubereitungen werden auch dem BtMG unterstellt, wenn dieses auf Grund von Änderungen der Anhänge zu dem Einheits-Übereinkommen von 1961 oder dem Übereinkommen von 1971 über psychotrope Stoffe erforderlich ist.

Die Überwachung des BtM-Verkehrs unterliegt in der Bundesrepublik Deutschland der Bundesopiumstelle im BfArM: https://www.bfarm.de/DE/Bundesopiumstelle/_node.html

Neuartige Lebensmittel

Neuartig sind Lebensmittel und Lebensmittelzutaten gemäß der Verordnung (EU) 2015/2283 über neuartige Lebensmittel, wenn sie vor dem 15. Mai 1997 in der Europäischen Union nicht in nennenswertem Umfang für den menschlichen Verzehr verwendet worden sind und mindestens unter eine der dort definierten Kategorien (Artikel 3 der Verordnung (EU) 2015/2283) fallen. Neuartige Lebensmittel benötigen vor dem Inverkehrbringen eine Zulassung.

Hier finden Sie weiterführende Informationen zu neuartigen Lebensmitteln.

Ein Lebensmittel, das als nicht neuartig eingestuft ist, könnte dennoch nicht verkehrsfähig sein, da andere unionsrechtliche oder nationale Vorschriften einer Verwendung des fraglichen Lebensmittels entgegenstehen. Ebenso kann ein auf Unionsebene zugelassenes neuartiges Lebensmittel in einem konkreten Erzeugnis in der Bundesrepublik Deutschland, Österreich oder der Schweiz unter das Arzneimittelrecht fallen. In diesem Fall wäre ein Inverkehrbringen als Lebensmittel ausgeschlossen.

Lebensmittel müssen sicher sein

Grundsätzlich dürfen Lebensmittel, die nach Artikel 14 Abs. 2 der Basis-Verordnung (EG) Nr. 178/2002 „nicht sicher“ sind, d. h. gesundheitsschädlich sind oder für den Verzehr durch den Menschen ungeeignet sind, nicht in den Verkehr gebracht werden.
Nach Ausschluss der Novel Food- und Arzneimittel-Eigenschaft ist daher zu prüfen, ob die Ausgangsmaterialien und weiteren Zutaten grundsätzlich als Lebensmittelzutat geeignet sind bzw. eine Einstufung als übliches Lebensmittel möglich ist und für dessen Verwendung keinerlei Verwendungsbeschränkungen angezeigt sind.

Zusatz von „anderen Stoffen“ mit ernährungsspezifischer oder physiologischer Wirkung zu Lebensmitteln

Ein allgemeiner Rechtsrahmen für die Regelung von „anderen Stoffen“ als Vitaminen oder Mineralstoffen mit ernährungsspezifischer oder physiologischer Wirkung wurde bereits mit der Verordnung (EG) Nr. 1925/2006 geschaffen.

Liegt die Aufnahmemenge eines „anderen Stoffes" durch den Verzehr von Lebensmitteln weit über den unter normalen Bedingungen bei einer ausgewogenen und abwechslungsreichen Ernährung vernünftigerweise anzunehmenden Mengen und / oder birgt sie ein potenzielles Risiko für die Verbraucher, kann die Europäische Kommission im Rahmen des in Artikel 8 der Verordnung (EG) Nr. 1925/2006 beschriebenen Verfahrens eine Entscheidung treffen und den Stoff gegebenenfalls in eine der drei folgenden Teile des Anhangs III der Verordnung aufnehmen:

Teil A) Stoffe, die gesundheitsschädlich und damit in Lebensmitteln verboten sind

Teil B) Stoffe, deren Verwendung nur unter den dort genannten Bedingungen erlaubt ist

Teil C) Stoffe, die ein potentielles Risiko für den Verbraucher darstellen, die aktuelle Datenlage aber nicht für eine Einstufung ausreicht.

Für einen Stoff der in Teil C aufgenommen wurde, ist nach Art. 8 Abs. 5 der Verordnung (EG) Nr. 1925/2006 auf Basis neu eingereichter wissenschaftlicher Daten spätestens binnen vier Jahren nach Aufnahme dieses Stoffes in den Anhang III Teil C darüber zu entscheiden, ob dessen Verwendung allgemein erlaubt werden oder ob eine Zuordnung zu den Listen A oder B erfolgen soll. Bis zur abschließenden Entscheidung sind die nationalen Vorschriften für den Stoff weiter anwendbar, eine harmonisierte Regelung wird nicht getroffen.

Die Aufnahme eines Stoffes in den Anhang III der Verordnung (EG) Nr. 1925/2006 kann auf Initiative der Europäischen Kommission oder eines Mitgliedstaates erfolgen, sofern Bedenken hinsichtlich eines potentiellen Risikos bestehen. Von diesem Verfahren wurde bisher nur für wenige Stoffe Gebrauch gemacht.

Die Stofflisten

Das Bild zeigt die Titelseite der 3. Auflage des Vorwortes zu den Stofflisten des Bundes und der Bundesländer. Stoffliste des Bundes und der Bundesländer (3. Aufl.) Das Bild zeigt die Titelseite der 3. Auflage des Vorwortes zu den Stofflisten des Bundes und der Bundesländer.

Bis heute wurden nur sehr wenige Stoffe in Anhang III der Verordnung (EG) Nr. 1925/2006 aufgenommen.

Kurzfristig ist auch keine weitere Harmonisierung von Seiten des Europäischen Gesetzgebers hinsichtlich der Einstufung von „sonstigen Stoffen“ zu erwarten.

Aus diesen Gründen ist man dazu übergegangen, eigene Stofflisten in verschiedenen Kategorien zu erstellen.